Big Sky Country - Das weite Land (German Edition)
sich. „Layne, wegen des Hauses … ich meine, wegen seines derzeitigen Zustandes …“
Layne war ein taktvoller, großherziger Mensch. Sie grinste. „Wir haben ja noch ein paar Tage, bis ich zurück nach L.A. fliege. Shea und ich werden dir helfen, das Haus herzurichten.“ Sie schaute sich um. „Ganz so schlimm ist es nun auch wieder nicht.“
Slade verlagerte sein Körpergewicht von einem Bein auf das andere und seufzte leise, während er Shea aus dem Augenwinkel beobachtete. Sie schien den alten Stall unerhört faszinierend zu finden. Das Problem war bloß, dass das wackelige Ding jeden Moment einstürzen konnte. Ein einziger kräftiger Windstoß – und das ganze Gebäude war nur mehr ein Haufen Kleinholz.
Er biss sich auf die Zunge, um Shea nicht das zuzurufen, was ihm gerade durch den Kopf ging.
Sei vorsichtig!
Teenager neigten dazu, rebellisch zu sein– Shea noch mehr als die meisten Jugendlichen ihres Alters. Slade wollte sie beschützen, doch er wollte auch nicht gleich den Eindruck erwecken, er wäre überfürsorglich.
„Wie ist es dir ergangen, Slade?“, fragte Layne und riss ihn aus seinen Gedanken. Täuschte er sich, oder hatte in ihrer Stimme gerade eine Spur Besorgnis mitgeschwungen? „Seit der Scheidung, meine ich“, fügte sie hinzu.
Er hatte das Gefühl, als würde er ersticken. In den ersten Tagen – und Nächten – nach der Trennung von Layne war er ein emotionales Wrack gewesen. Allerdings hatte er es geschafft, es vor allen Leuten zu verbergen. Außer vor Callie. Zumindest anfangs hatte er mehr Bier getrunken, als gut für ihn war, und im Dunkeln wochenlang immer wieder eine aus zehn CDs bestehende Jazzblues-Collection gehört.
Aber sogar damals, als er gewissermaßen Dauergast im „Heartbreak Hotel“ gewesen war, hatte er gewusst, dass die Scheidung für alle Betroffenen das Beste war. Shea eingeschlossen. Zumindest langfristig gesehen.
„Ich möchte so etwas nicht noch einmal durchmachen“, antwortete er aufrichtig, „aber es geht mir gut.“
Shea kam durch das hohe Gras auf sie zu und strahlte. Jasper lief neben ihr her.
„Können wir ein Pferd kaufen, Dad?“ Sheas veilchenblaue Augen leuchteten förmlich vor Begeisterung. „Ich füttere es, gebe ihm Wasser und erledige alle Arbeiten.“
Sie kam Slade in diesem kurzen Moment weit jünger vor als sechzehn. Aber sie stand zweifellos bereits an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Dieses Mädchen, das zwar nicht sein eigen Fleisch und Blut war, aber ein Teil seines Herzens war, wuchs langsam zu einer Frau heran.
„Dieser Stall ist nicht mal mehr für Feldmäuse geeignet, geschweige denn für Pferde“, antwortete Slade. Allerdings hatte er bereits beschlossen, dass er mit Shea am kommenden Wochenende zu der Viehauktion in der Nähe von Missoula fahren würde. Er würde sich dort das Angebot ansehen und dann eine Entscheidung treffen. Bis dahin würde er nichts versprechen.
„Wir könnten ein paar Bretter und Nägel kaufen und den Stall wieder auf Vordermann bringen“, schwärmte Shea und breitete die Arme aus. Auf ihrem rechten Unterarm sah man ein abwaschbares Henna-Tattoo. Slade hoffte zumindest, dass es abwaschbar war.
Layne verdrehte bei Sheas Vorschlag die Augen. Doch in dem Blick, mit dem sie ihre Tochter dann kopfschüttelnd bedachte, lag viel Liebe. „Sieh an, die tüchtige kleine Handwerkerin“, sagte sie. „Zu Hause kann ich dich nicht einmal motivieren, eine Glühbirne zu wechseln. Und jetzt möchtest du gleich einen ganzen Stall renovieren?“
„Ich würde alles für ein Pferd tun“, erwiderte Shea und beugte sich hinunter, um Jaspers Kopf zu tätscheln. „Das heißt nicht, dass du nicht klasse bist, mein Junge. Denn das bist du. Total.“
Slade schmunzelte. Da war sie, diese Eigenschaft, von der er immer – auch in schwierigen Zeiten – gewusst hatte, dass Shea sie hatte. Diese Eigenschaft, die ihn so sicher sein ließ, dass alles gut ausgehen würde. Shea war warmherzig .
„Lasst uns zurück zu Callie fahren“, sagte er mit ein wenig belegter Stimme. „Sie erwartet uns zum Abendessen.“
„Hurra …“, erwiderte Layne leise. Sie verzog den Mund zu einem verzweifelten Lächeln und setzte ihre Sonnenbrille, die sie vorhin in die Haare geschoben hatte, wieder auf.
„Mom!“, protestierte Shea scheinbar entrüstet.
Achtung, Zickenalarm, schoss es Slade durch den Sinn. Es war merkwürdig, welche Dinge ein Mann aus seiner Ehe und dem Familienleben mit einer Tochter vermisste.
Slade
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