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Big U

Big U

Titel: Big U Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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mit einem Stroboskoplicht angriffen und uns die bizarren Erinnerungen von Klystron anhörten, fragten sich wahrscheinlich die meisten von uns, jeder für sich, ob wir nicht ganz dicht waren. Wenn wir Fred Fine um Erklärungen baten, dann ganz sicher nicht, weil wir mehr von Klystrons Geschichten hören wollten (wie er vermutete), sondern weil wir eine Vorstellung davon haben wollten, was andere Leute dachten. Uns ging sehr schnell auf, daß mit der Welt tatsächlich alles in Ordnung war, daß Fred Fine übergeschnappt und bei uns alles soweit im grünen Bereich war.
    Eine Kreuzung war von Hunderten von gebrochenen und angenagten Knochen übersät; Virgil ließ uns wissen, daß er hier die nützlichen Eigenschaften des Zepters entdeckt hatte. Dieser Bereich war erhöht und trocken, wie das eben manchmal so ging, daher lauerten viele Ratten im Umkreis. Virgil schaltete das Zepter dauerhaft ein und drängte sie an den Rand der Dunkelheit zurück, wo sie fiepten und mit ihren roten Augen glotzten. Hyacinth stopfte sich Watte in die Ohren, offenbar rechnete sie mit einer Schießerei.
    »Bauen wir das Skop auf«, schlug Virgil vor. Casimir nahm den Rucksack ab und holte ein dick gepolstertes Kästchen heraus, aus dem er ein kleines tragbares Oszilloskop holte. Das Gerät hatte einen winzigen Monitor, der Schallwellenmuster darstellte, die ein Richtmikrofon aufnahm, das sich ebenfalls in dem Rucksack befand. Während das Oszilloskop warmlief steckte Casimir das Mikrofon in eine Steckdose an der Vorderseite. Eine dünne, leuchtend grüne Linie verlief über die Bildschirmmitte.
    Virgil richtete das Mikro den Hauptgang hinab und schaltete es ein. Die Linie auf dem Monitor zerplatzte in ein chaotisches Gewirr trüber grüner Statik. Casimir spielte mit verschiedenen Knöpfen, worauf die ungestümen Ausschläge des Signals bald zum Muster zufälliger Wellen wurde, die über den Bildschirm krochen. »Weißes Rauschen«, sagte Fred Fine. »Ihr Laien sagt Statik dazu.«
    »Behalt es im Auge«, sagte Virgil und richtete das Mikrofon in den kleineren Seitentunnel. Das weiße Rauschen wurde fast augenblicklich durch fast vertikale Linien ersetzt, die über den Bildschirm wanderten. Casimir komprimierte das Signal erneut und wir sahen, daß es sich um nichts weiter als eine einzige stationäre Sinuswelle handelte, etwas verwackelt, aber weitgehend stabil.
    »Sehr interessant«, sagte Fred Fine.
    »Was ist da los?« fragte Sarah.
    »Das ist ein kontinuierlicher Ultraschallton«, sagte Virgil. »Wie eine endlose Hundepfeife. Es stammt aus einer künstlichen Quelle in diesem Tunnel. Seht ihr, wenn ich das Mikrofon in praktisch jede beliebige andere Richtung halte, bekommen wir weißes Rauschen, was normal ist. Aber dies ist ein lautes Geräusch in einer Höhe. Für die Ratten muß es sich wie der endlose Ton einer Orgel anhören. Das erklärt, warum sie in diesem Gebiet so massiert auftreten; für ihre Ohren ist es Musik, wenn auch sehr einfache Musik. Tatsächlich sogar monoton.«
    »Woher hast du gewußt, daß du danach suchen mußt?« fragte Sarah.
    Virgil zuckte die Achseln. »Es schien logisch, daß eine so moderne und gut bewachte Anlage wie die, die ich gesehen habe, über eine Art Ultraschallalarmsystem verfügt. Das ist eigentlich Standard.«
    »Das ist wie ein Radar. Alles, was das Echo in einer bestimmten Reichweite stört, löst den Alarm aus. Und jetzt die Frage: Warum lösen die Ratten ihn nicht aus?«
    »Eine Art von Barriere hält sie fern«, sagte Casimir.
    »Das sehe ich auch so. Aber ich habe keine Barriere gesehen. Als ich das erste Mal hier war, konnten sie bis zu der Tür laufen – sie mußten mit Maschinenpistolen abgewehrt werden. Sie müssen die Barriere seit meinem letzten Ausflug hierher errichtet haben. Für uns bedeutet das: wir können bis zu dieser Barriere gehen, wo immer sie auch sein mag, ohne daß wir die Alarmanlage dadurch auslösen.«
    Wir schritten in Keilformation den Tunnel hinab und setzten falls erforderlich Tischbein, Zepter und Schwert ein. Bald schon erreichten wir die Barriere, die simpel, aber schwer zu übersehen war: ein Rahmen aus Eisenwinkeln, die an Wänden und Decke zusammengeschweißt und mit Dutzenden kleiner, gleißender Scheinwerfer bestückt waren. An diesem Punkt würde jede Ratte in grelles Licht getaucht werden und vor Angst und Schmerzen umkehren. Jenseits dieser Barriere aus Licht war nur noch eine Art von Fußabdrücken – die von Menschen – im Fledermausguano zu sehen.

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