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Big U

Big U

Titel: Big U Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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einen anderen Gang hinab. Als sich das Tosen in dem Raum ausbreitete, sah die große Armee im fahlen künstlichen Licht eine Meute riesiger, fetter, graubrauner Ratten mit zuckenden Schwänzen und leuchtenden Augen aus dem Tunnel hervorbrechen, die durch den Raum liefen und sich in den anderen Tunnel zwängten, in dem die Riesenfledermaus verschwunden war. Einige stießen Kopf voran gegen das klobige alte Funkgerät, das über den Boden schlitterte, und ehe es zum Stillstand kam, waren fünf Ratten aus der Meute ausgeschert und zerstörten es, indem sie mit ihren riesigen, glänzenden Nagetierzähnen den Sperrholzkasten durchbissen, als wäre er eine Orangenschale, den Apparat auseinandernahmen und von irrer Inbrunst erfüllt die gläsernen und metallenen Innereien zerbissen. Ihre Raserei währte nur wenige Sekunden; ihre Brüder waren allesamt verschwunden; sie stießen schrille Schreie aus und verschwanden ebenfalls in dem Tunnel, wobei eine Draht und Metalltrümmer hinter sich herzog.
    Fast alle, außer Klystron, kauerten in Embryonalhaltung auf dem Boden und hielten die Arme vor die Gesichter; manche hatten Schwerter oder Keulen gezückt und sich auf einen Kampf vorbereitet. Zwei Minuten lang regte sich niemand, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Als die Krieger wieder zu sich kamen, bewegten sie sich heftig zitternd, vom Schwindel der Übelkeit gelähmt und so leise sie konnten. Niemand entfernte sich von den schützenden Wänden, abgesehen von Klystron dem Pfähler/Chris dem Computerprogrammierer, der zu der Stelle ging, wo tausend Rattenfüße eine breite Spur in dem zähen Schlick hinterlassen hatten. Er wußte, kaum jemand hier war von der Zentralscheide überzeugt gewesen, geschweige denn von den Gefahren der Vermischung. Das war verständlich, wenn man die schlimm vermischte Umgebung berücksichtigte, die ihren Geist verwirrt hatte. Klystron/Chris hatte alles in seiner Macht Stehende getan, um dieser Denkweise entgegenzuwirken, aber das Erscheinen der Riesenratten und die sorgfältige Vorbereitung durch ihn und Councilla und Chip Dixon hatte einen Beweis geliefert.
    Er ließ sie darüber nachdenken. Es war nicht leicht, wenn man sich der eigenen Bedeutung bewußt wurde; selbst ihm war es schwergefallen. Schließlich ergriff er mit einer klaren und festen Stimme das Wort, worauf alle in dem Raum sich sofort zu ihm drehten und ihrem Anführer den gebührenden Respekt zollten.
    »Habe ich eine große Armee?«
    Der murmelnde Chor hörte sich vielversprechend an. Klystron riß das Schwert aus der Scheide und hielt es hoch, achtete aber darauf, daß er keine Stromkabel berührte. »Heil Shekondar dem Furchtbaren!« posaunte er hinaus.
    Schwerter, Messer, Ketten und Keulen wurden ringsum hochgehoben und funkelten im Nebel. »Heil Shekondar dem Furchtbaren!« brüllte die Armee als Ant-wort, was wiederum viermal von Echos aus den Tunneln beantwortet wurde. Klystron/Chris hörte sich den Widerhall an, dann sagte er kalt und entschlossen: »Es ist Zeit für die letzten Vorbereitungen.«
    Ein Vorteil, den das Leben in einer verfallenden Zivilisation mit sich bringt, ist die Tatsache, daß es keinen kümmert, wenn man mit ganzen Armen voll Anglerhosen aus Gummi, Taschenlampen, elektrischer Ausrüstung und Waffen durch die Flure spaziert. Einige beobachteten uns mißtrauisch und mit Argusaugen, und ein paar hilfsbereite alkoholisierte Terroristen stellten freundlich Fragen, aber die Behörden machten keine Schwierigkeiten. Eine dreißigminütige Wanderung durch das zunehmend größere Chaos im Plex führte uns in den Bunker, wo immer noch Leute wohnten, die so friedlichen Beschäftigungen wie Spielen, Computerprogrammieren, Forschungen und alten Wiederholungen von Raumschiff Enterprise im Fernsehen nachgingen.
    Von dort fuhren wir mit einem Lastenaufzug in das unterste Kellergeschoß, wo Fred Fine uns durch verdreckte Flure führte, wo Poster nackter kroatobaltoslowenischer Prinzessinnen die Wände zierten, bis wir zu einem großen Raum voller Rohrleitungen kamen. Hier führte uns Virgil mit seinem Hauptschlüssel in einen kleineren Raum, in dem eine schmale Wendeltreppe in die Tiefe führte.
    »Ich gehe zuerst«, sagte Virgil leise, »mit dem Zepter. Danach Hyacinth mit ihrem .44er. Dann Bud mit den dicken Handschuhen, dann Sarah und Casimir mit den Rucksäcken und Fred mit seiner Schrotflinte am Ende. Kein Lärm.«
    Nach ein oder zwei Biegungen der Treppe mußten wir die Helmlampen einschalten. Der Abstieg

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