Big U
war lang und nervenaufreibend; wir schienen einen Höllenlärm auf den hallenden Metallstufen zu machen. Ich hielt meinen Lichtstrahl auf das strahlende weißgoldene Leuchtfeuer von Virgils Haaren gerichtet und horchte auf die Schritte und Atemgeräusche hinter mir. Die Luft hatte einen strengen, modrigen Geruch, der mir verriet, daß ich mit jedem Atemzug Milliarden Bazillen aller Art einsog. Weiter unten zogen wir unsere Gasmasken auf, und ich stellte fest, daß ich viel schneller atmete, als nötig gewesen wäre.
Die Ratten warteten ganze fünfzehn Meter über dem Boden. Eine hatte in Virgils Bein gebissen, ehe er das Zepter der kosmischen Macht einschalten konnte. Das Blitzlicht vertrieb den Rest der Ratten, die wütend übereinander die Treppe hinunterflohen, aber die erste Bestie biß nur um so fester zu und blieb hängen, da sie zu weggetreten war, um zu fliehen. Zum Glück versuchte Hyacinth nicht, sie auf der Stelle zu erschießen. Ich ging an ihr vorbei, spannte die dicken gepolsterten Handschuhe, die bis zu den Ellbogen reichten, und kämpfte mit der Ratte. Die Zähne des Nagetiers waren nicht durch die Footballbeinschienen gedrungen, die Virgil unter der Anglerhose trug, daher ließ ich mir Zeit, entspannte mich, ging in die Hocke und sah dem Tier in die leuchtenden, weiß geränderten Augen. Die entblößten Schneidezähne, ein paar Zentimeter lang und zwei Zentimeter breit, blitzten mit jedem Aufleuchten des Stroboskoplichts purpurn und gelb auf. Als die Ratte sich durch Virgils Anglerhose gebissen und die bunte Beinschiene darunter freigelegt hatte, versuchte sie, sich durch dieses Hindernis durchzubeißen, ohne loszulassen. Ich hatte nicht genug Kraft, um ihr Maul aufzureißen.
»Ein deutscher Schäferhund kann fünfzig Kilo Kieferkraft aufbringen«, sagte Fred Fine, der oben stand und mit der Gleichmut des Wissenschaftlers über Casimirs Schulter sah.
Die Ratte ließ sich von alledem nicht beeindrucken.
»Versuchen wir einfach, sie zu töten«, sagte ihr Opfer ein klein wenig gepreßt, »dann haben wir unser Exemplar.«
Ich schlug ihr mit dem Holzbein meines Küchentischs, das ich in weiser Voraussicht von meinem Tisch abgeschraubt und mitgenommen hatte, den Schädel ein. Die Ratte paßte kaum in den schweren, dicken Plastiksack; Virgil band ihn zu, und wir ließen ihn da liegen.
Und dann ging es weiter in die Tunnel. In dieser Nacht floß ungewöhnlich viel Wasser durch die Kanäle, da Tausende Hektoliter Bier durch die Verdauungstrakts der degenerierten Bewohner oben in das Abwassersystem strömten. Aus diesem Grund hielten wir uns an die Laufstege in den größeren Tunneln – genau wie die Ratten. Das Zepter tat uns in den Augen weh, daher wartete Virgil immer, bis sie gefährlich nahe herangekommen waren, ehe er es einschaltete und sie als quiekende Nervenbündel in die reißende Brühe unten trieb. Die Waffen mußten wir nicht benutzen, allerdings be-stand Fred Fine darauf, mit einem Blitzgewehr auf eine der Ratten zu schießen, um zu sehen, wie es ihr gefiel. Ganz und gar nicht, wie sich herausstellte, was Fred Fine »sehr interessant« fand.
»Wo ist mein radioaktives Material hingefallen?« fragte Casimir. »Gehen wir in die Nähe davon?«
»Gutes Argument«, sagte Fred Fine. »Halten wir uns davon fern. Strahlenkranke Mitstreiter kann ich nicht gebrauchen.«
»Ich weiß, wo es hingefallen ist, aber da ist es nicht mehr«, sagte Virgil. »Die Ratten haben alles aufgefressen. Eine Ratte hat offenbar eine große Überraschung mit ihrem Paraffin erlebt, aber ich habe keine Ahnung, wo sie gelandet ist.«
Fred Fine zeigte nach und nach auf die denkwürdigen Stellen: wo er den Kadaver des Mikrowellenwarans liegen gelassen hatte, der natürlich längst von ihr wißt schon wem aufgefressen worden war; wo Steven Wilson seine letzte und größte Überraschung erlebt hatte; den Tunnel, der zum Grabmal von Keldor führte. Seine Stimme wechselte zwischen dem pseudowissenschaftlichen Dynamosummen von Fred Fine und dem kehligen Bariton des Kriegshelden hin und her. Dieses Zeug hörten wir jetzt schon seit einigen Wochen, aber hier unten in den Tunneln ging es uns so langsam echt an die Nieren. Die meisten Menschen werden, wenn sie einen ununterbrochenen Schwall Unsinn hören, zuerst einmal an ihrem eigenen Verstand zweifeln, bevor ihnen klar wird, daß die Person, die sie vollquasselt, in Wirklichkeit die mit dem Hirnschaden ist. In dieser Nacht, als wir durch die Unterwelt zogen, Riesenratten
Weitere Kostenlose Bücher