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Big U

Big U

Titel: Big U Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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sie sollen sich schon bis zu den unteren Etagen hochgearbeitet haben und klettern die Müllberge in den Fahrstuhlschächten hoch.«
    »Scheiße!« brüllte Bert und hämmerte mit den Fäusten auf den Tisch. »Und ausgerechnet jetzt muß ich meine Scheißkamera verlieren!«
    »Fangen wir eine ein«, sagte seine Frau, eine Biologin.
    »Also, wir könnten das Modell erweitern, damit exogene Faktoren berücksichtigt werden«, sagte der bärtige Modellentwickler.
    »Leute könnten Ratten und Ratten Leute fressen«, sagte der mit dem Schnauzbart.
    »Und Ratten Fledermäuse.«
    »Und Fledermäuse Insekten, die tote Ratten fressen.«
    »Das alles können wir mit einer standardmäßigen Input/Output-Matrix berücksichtigen«, sagte der Lehrstuhlinhaber gebieterisch.
    »Diese Ratten hören sich ganz nach Vielfraßen an«, sagte Longwood und schaltete durch die nächsten paar Dias. »Ich glaube, ich habe ein paar Dias weiter Vielfraßlosung drauf, wenn das die Serie ist, für die ich sie halte.«
    Als ich sah, daß sich eine Dia-und eine Modellfraktion gebildet hatten, ging ich hinaus. Ein paar Minuten später waren wir wieder unterwegs.
    Wir wurden von einem hoffnungslosen Trottel angegriffen, der eine Schrotflinte wie ein weittragendes Gewehr benutzte. Mich traf ein Kügelchen an der Wange. Hyacinth ballerte ihn an einer abstrakten Skulptur aus verschweißten Rasenmäherteilen zu Klump. Die GASFler, die ohnehin gedemütigt waren, weil eine Frau das große Gewehr tragen durfte, sahen aus, als würden sie nie wieder in ihrem Leben eine Erektion bekommen.
    Wir gingen eine kurze Strecke durch das medizinische Einführungszentrum, wo blasse mutierte Studenten Kriegsgefallene sezierten und versuchten, sich gegenseitig mit Scheußlichkeiten zu übertrumpfen. Ich rief ihnen zu, daß sie rausgehen und den Verwundeten helfen sollten, erntete aber überwiegend leere Blicke. »Das dürfen wir nicht«, sagte einer von ihnen entrüstet, »wir haben noch nicht mal mit dem Medizinstudium begonnen.«
    Von da gingen wir weiter in die medizinische Bibliothek und von dort weiter in die eigentliche Bibliothek. Die große und schwer zu bewachende Bibliothek war das Land der Flüchtlinge. Sie besaß keine wünschens
    werten Ressourcen, bildete jedoch ein prima Versteck, da die Regale selbst Tausende Nischen formten. Ganze Flüchtlingswellen schlugen sich bis hierher durch, verschanzten sich, indem sie aus Büchern Forts bauten, und wagten sich selten einmal hinaus.
    Das Erdgeschoß war unbewacht und kaum bevölkert. Wir hielten uns an offene Bereiche und gingen weiter zum ersten Stock.
    Hier erwartete uns eine angenehme Überraschung. Es hatte sich eine organisierte Gruppe gebildet, die überwiegend aus Studenten der Krankenpflege, Altphilologie, Geschichte, Sprachen und Sport bestand. Sie tauschten einfache medizinische Hilfsleistungen mit den Barbaren und hatten auf diese Weise genug Waffen zusammenbekommen, um den Raum verteidigen zu können. Jeder Flüchtling wurde von einem Medizinstudenten oder hin und wieder einem medizinischen Vorsemester untersucht und bekam dann einen Platz zwischen den Reihen zugeteilt -»dein Platz ist DG 3 in 851 und die Umgebung« – und so weiter. Danach konnten sich die meisten Flüchtlinge zwischen kugelsicheren Wänden aus Papier verstecken, während die Schwerverletzten durch das Fenster zu den Leuten vom Roten Kreuz unten abgeseilt werden konnten. Auf dieselbe Weise konnte man Nahrungsmittel und besonders tapfere Ärzte in den Plex hieven. Die Atmosphäre war erstaunlich ruhig und human, und alle schienen guter Laune zu sein.
    Der Rest der Reise verlief ereignislos. Wir stiegen zum dritten Stock hinauf und bahnten uns einen Weg zum Arbeitszimmer von Emeritus. Kurz darauf konnten wir Rauch riechen und vor den Lichtern hängen sehen. Zu Emeritus’ Erleichterung kam er nicht aus seinem Büro, sondern aus der offenen Tür eines Zimmers mit der Aufschrift »Embers, Archibald«.
    Drei Männer und eine Frau, alle unbewaffnet, saßen um ein kleines Lagerfeuer und warfen hin und wieder ein neues Buch darauf. Sie hatten das Fenster eingeschlagen, damit der Rauch abziehen konnte.
    Die Frau kreischte auf, als ich unter der Tür auftauchte. »Herrgott! Wenn ich ein Gewehr hätte, wären Sie jetzt tot. Ich reagiere so unbeherrscht.«
    »Ein Glück, daß Sie keins haben«, bemerkte ich.
    »Eigentlich geht Sie dies alles nichts an«, stimmte ein dünner, blasser Mann an. »Aber ich vermute, da Sie dieses vermaledeite Gewehr

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