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Bilder Aus Dem Berliner Leben

Titel: Bilder Aus Dem Berliner Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Rodenberg
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andere Kräfte mitwirken. Notabene: und ich spreche nur von dem äußeren Eindruck, ich will hier gar nicht auf das Innere dieser Häuser eingehen, von denen die meisten keine Wasserleitung und keine Badestuben, dagegen allesamt dunkle Schlafzimmer, enge Korridore und das odiöse Berliner Zimmer hatten – eine Erfindung, auf welche die Berliner Baukunst stolz sein durfte, ein Durchgangszimmer, durch welches, auch wenn die Familie bei Tische saß und große Feten gab, die ganze Passage ging, von der Küche bis zur Flurtür. Dieses Haus ist in raschem Verschwinden begriffen: In den inneren Teilen der Stadt wird es Schritt vor Schritt verdrängt durch die luxuriösen Bauten unserer jungen Architektenschule, welche bald ein neues und schöneres Berlin aus dem alten gemacht haben wird; und in dem neuen ist es nie gewesen. Hier, in den Vorstädten und Volksquartieren, wo es sich eben nur um Neuschöpfungen handelt, tritt dieser neue Baustil auch am deutlichsten und großartigsten hervor. Hier, wonicht Luxusbauten errichtet werden sollten, sondern solche, die ganz ausschließlich auf ihre Ertragsfähigkeit hin berechnet sind, hier konnte der Künstler zeigen und hier hat er in der Tat gezeigt, wie die kolossale Masse von Gebäuden, gegen welche die dreistöckigen Häuser der vorangegangenen Periode klein erscheinen, durch das freie Spiel der Phantasie, durch eine gefällige Behandlung der Form, durch geschmackvolle Dekoration der Fassade, durch eine gewisse Harmonie in der Herstellung der ganzen Straßenfront zu bewältigen und aufzulösen war: unter seiner Hand hat die Mietskaserne sich in den Mietspalast verwandelt. Wohlverstanden, daß ich auch hier nur vom Äußern spreche; denn gegen das Innere mögen sich mannigfache Bedenken nicht unterdrücken lassen. Man wird eingestehen müssen, daß, vom sanitären Standpunkt aus betrachtet, die dumpfen und feuchten Kellerwohnungen, die ja hier nicht mehr gefunden werden, nicht viel gesundheitsschädlicher gewesen sein können als die fünf Stock hoch unter dem Dach gelegenen Logis, zu denen die Bewohner derselben auf steilen Treppen ohne Zahl – wer weiß, wie oft täglich! – hinansteigen müssen.
    Jedoch andere Vorzüge haben diese neuen Stadtviertel, welche den älteren fehlen. Sie haben mehr Luft, mehr Licht und mehr Grün. Überall tritt das Bestreben hervor, breite boulevardartige Straßen zu schaffen, Avenuen, in der Mitte mit Bäumen bepflanzt, wie zum Beispiel die York- und Gneisenaustraße, oder mit weiten Rasenplätzen und Gartenanlagen, wie die Bärwaldstraße. Die Häuser dieser Straßen sind immens hoch und dicht bevölkert; aber sie haben Ventilation, sie haben Wasserleitung, sie haben Badestuben – sie haben alles, was an häuslicher Bequemlichkeit sonst nur dem Reichen zugänglich war und was heute, infolge einer vorgeschritteneren Zivilisation, auch den in bescheidneren VerhältnissenLebenden nicht länger fehlt. Und ist es so gering anzuschlagen, daß auch derjenige von unseren Mitbürgern, der kleine Beamte, der Handwerker, der Arbeitsmann, der in ehrlicher Mühe seinen Unterhalt gewinnt – daß auch er, sag ich, seinen Blick erheben lernt zu dem, was durch schöne Form erfreut – daß es ihm nicht fremd gegenübersteht, sondern wie etwas, an dem er gleichfalls seinen Teil hat? Wird das, was für die Verschönerung der Umgebung geschieht, in der er lebt, nicht zugleich sein Auge bilden und sein Selbstgefühl erhöhen, wie das, was für ihre Verbesserung in anderer Hinsicht getan wird, sein körperliches Wohlbefinden vermehrt. Nicht alle Fragen – leider nicht einmal viele – sind mit der ästhetischen Formel zu beantworten. Aber das moderne Leben hat doch sehr weise getan, daß es, inmitten starker Gegenströmungen, als einen mitwirkenden Faktor der Volkserziehung die Künste wieder herangezogen hat, von welchen der alte Dichter sagt, daß sie die Sitten mildern und Roheit nicht dulden.
    So schreitet die Stadt vorwärts, ihre Flut nach allen Seiten hin ergießend, nichts verschonend und durch nichts aufgehalten; und selbst die Stätten des Friedens, deren stille Bewohner kein noch so lauter Zuruf mehr weckt, nicht des Ehrgeizes und nicht der Liebe – die Kirchhöfe Berlins, auch sie sind nur noch Inseln, an deren Ufer die steinerne Brandung anschlägt. Einst, noch vor zwanzig, dreißig Jahren lagen sie weit draußen, einsam in Feld und Heide vor den Toren, wie die neuen Kirchhöfe, welche diese Gemeinden jetzt in der Hasenheide haben; aber in einer

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