Bilder Aus Dem Berliner Leben
zur Wohltätigkeit für sie aufrief:
Ihr Fraun und Herrn, Gott lohn es euch zumal,
Er geb euch dieses Weibes Jahre Zahl
Und spät dereinst ein gleiches Sterbekissen!
Denn wohl vor allem, was man Güter heißt,
Sind's diese beiden, die man billig preist:
Ein hohes Alter und ein rein Gewissen.
Die alte Waschfrau hat ihren Dichter überlebt: Noch in demselben Jahre, wo er das zweite Lied für sie gesungen, folgte er seiner vorangegangenen Gattin. Aber ein anderer kam, ein jüngerer – einer, der nun auch schon im Grabe ruht, Franz Dingelstedt; und in herrlichen Terzinen sang er ihm die Totenklage:
Wo habt Ihr mir den Alten hingebettet?
Kommt, führt mich an den eng beschränkten Port,
Darein der Weltumsegler sich gerettet.
Ihr zeigt auf jene dürre Scholle dort,
Wo falbes Herbstlaub rieselnd niederregnet;
Hier ruht er, sagt mir Euer Trauerwort.
O sei, du heilig Dichtergrab, gesegnet;
Du birgst ihn, dem mein Geist viel tausendmal,
Mein sterblich Auge nimmermehr begegnet!
Noch ein Grab ist hier, auf der entgegengesetzten Seite des Kirchhofs, nicht weit von einer hohen Pappel, welche den Weg zu demselben zeigt, ein völlig eingesunkenes Grab mit einem ovalen Sandstein, der in nunmehr auch fast erloschenen Zügen die Inschrift trägt:
E. T. W. HOFFMANN, Bekanntlich rührt das »E. T. A. Hoffmann« auf seinen Schriften von einem Schreibfehler eines seiner ersten Manuskripte her, den er nachmals nicht mehr verbessern wollte. geb. Königsberg i. Pr. d. 24. Januar 1774,
gest. zu Berlin d. 25. Juni 1822.
Kammer Gerichts Rath
Ausgezeichnet
im Amte
als Dichter
als Tonkünstler
als Maler.
Der hier ruht, war im Leben ein guter Kamerad Chamissos und der anderen Serapionsbrüder, Hitzigs, Contessas, de la Motte Fouqués – ein liebenswürdiger Gesellschafter und geliebt von seinen Freunden –, leichtsinnig, leichtlebig, mit dem Herzen eines Kindes, das keiner Versuchung widerstehen kann, aber genial, eineKünstlernatur mit einer krankhaft feinen Empfindung für die Mißtöne des Lebens und, wenn er vom Dämon besessen war, mit seinen kleinen grauen Gespensteraugen in den Abgründen der Nacht und der Menschenseele lesend wie in einem aufgeschlagenen Zauberbuch, und seinen Zuhörern Geschichten erzählend, daß ihnen die Haare zu Berge standen. Es hängt ein Bild in der Weinstube von Lutter und Wegner in der Charlottenstraße, eine Lithographie, in Farben ausgeführt. Da sehen wir an einem hölzernen, mit grünem Wachstuch überzogenen Tisch, auf welchem Champagnerflaschen stehen, zwei Männer – den einen, mit wunderlich eckigem Gesicht, seltsam nach vorn gezogenem halbrunden Backenbart und aufgesträubtem Haar, wie das einer Katze, das Funken sprüht, sonst aber ganz bedächtig, mit halbgeöffneter Hand und leicht geöffnetem Mund, während der andere, gegenüber, der mit dem scharf und fein umrissenen Profil und den großen dunklen Augen, entsetzt zurückschreckt, so daß er den in seiner Rechten zitternden Champagnerkelch fester hält und mit der Linken sich in das braune Gelock seines Hauptes fährt. Der Erzähler ist E. T. A. Hoffmann und der Zuhörer Ludwig Devrient – auch er, der Kaufmannssohn aus der Brüderstraße, eine große, dämonische Natur – der größte Bühnenkünstler des Jahrhunderts ... Und wie ich hier stehe, unter der Pappel des Jerusalemer Kirchhofs, deren Blätter im Abendwinde wehen, in der Dämmerung, im Zwielicht, wie zwischen Diesseits und Jenseits, da taucht jenes geisterhafte Bild vor mir auf, und ich meine, Tritte zu hören, leise, schlurfende, und den Klang von Glas gegen Glas ... Devrient ist es, der, von Sehnsucht nach dem Freunde gequält, manchmal hierherkommt, in der Nacht, um am Grabe mit dem Toten zu trinken ... Doch auch dieser Schatten gleitet hinab – die Schritte, die ich gehört, kommen von draußen, aus der lebendigenWelt; und die Klänge sind Musik aus dem Sommergarten des Belle-Alliance-Theaters ...
Und hier bin ich wieder auf der Straße. Es ist Abend, und die Lichter werden angezündet. Langsam wende ich meinen Weg der Stadt zu, aus dem Berlin der Vergangenheit in das der Gegenwart und des Augenblicks. Aus dem Dunkel der oberen Friedrichstraße tret ich bei der Kochstraße plötzlich in die Tageshelle der großen Sonnenbrenner, während die spärliche Beleuchtung der einmündenden Seitenstraßen mir gleichsam den Kontrast der alten und der neuen Zeit andeutet, bis von der Leipziger Straße her das elektrische Licht aufschimmert – immer, und wenn man es auch an jedem
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