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Bilder Aus Dem Berliner Leben

Titel: Bilder Aus Dem Berliner Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Rodenberg
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was einem gefällt – oder auch gar nicht zu denken – zu träumen! Und wie vielerlei, wie schön läßt sich träumen vor einem Glase mattgelben jungen Moselweins, in dem die feinen Schaumperlchen auf- und niedersteigen! Von den sonnigen Bergen, an denen er gewachsen, von den lieblichen Tälern und dem vielfach gewundenen Flusse, von den altertümlichen Städtlein an seinen Ufern, ihren hügeligen Straßen, Kirchen, Schlössern und sonstigem Gemäuer – von der Augusta Trevirorum, dem herrlichen Trier, von der Porta Nigra, der Arena, den Kaiserpalästen, in einer Landschaft und unter einem Himmel, die – ich weiß nicht welchen – Zauber südlicher Weichheit atmen, daß sie, vor anderthalbtausend Jahren, denRömern Constantins die Täuschung der fernen, transalpinen Heimat gaben und heute noch uns, den Nachkommen der Barbaren, Sehnsucht erwecken, unendliche, ungestillte, nach der Stadt, die vor allen andern Städten war und noch immer ist – bis wir ihn auftauchen sehen, aus dem Morgengrau, den gelben Tiber – bis er uns zum ersten Male seine Flut entgegenrollt – mit einem grünen Talkessel und scharf umrissenen Gebirgskamm, mit Zypressen und Pinien und einer weidenden Schafherde und einem Hirten im Ziegenfell, mit dem weiten Blick über die bläulich schimmernde Campagna und dem weißen Aquädukt und dem schwärzlichen Steinhaufen und der mächtigen Kuppel, von der aufgehenden Sonne vergoldet – bis der Zug in die Halle einläuft und der Schaffner, die Türen öffnend, von Wagen zu Wagen ruft: »Roma!« ...
    Nun, meine Herrschaften, ist es Zeit, daß ich gehe. Denn ich kann auf die Minute berechnen, wie lang ich gebrauche, um von meinem Glase Brauneberger bis nach Rom zu gelangen. Jedesmal, wenn der Zug hält und der Schaffner ruft, ist auch der Moment da, wo das Stübchen sich mit Leuten füllt, die nicht vom Forum oder Kapitol, sondern aus dem Königlichen Schauspielhaus oder Deutschen Theater kommen – braven Leuten, die gewaltigen Hunger und nicht minderen Durst haben und denen ich alles Gute wünsche, so wie es mir vorher zuteil geworden ist. Gemächlich mach ich meinen Heimweg durch die klare Winternacht, und es hat noch nicht elf von meinem Kirchturm geschlagen, ihr könnt euch darauf verlassen, so suche ich mein Lager, in der frohen Erwartung einer guten Nacht und eines guten Morgens.
    Aber solch ein Wintermorgen kommt langsam, langsam; und ich bin gar nicht unwillig, wenn ich, von einer Zeit zur andern erwachend, dem Gange der Nacht folgen kann. Wann wird es einmal still, ganz still in einerStadt wie Berlin? Der Platz, an dem ich wohne, gehört nicht zu den lauten Gegenden; keine Verkehrsstraße berührt ihn, bei Tage wenig lärmend, verstummt er gänzlich bei Nacht. Nur aus weiter Ferne, ringsumher, wie das Branden des Meeres hinter den Dünen, vernehm ich das Leben der Hauptstadt, das wohl etwas schwächer wird, aber niemals ganz erstirbt. Da läuft noch ein später Eisenbahnzug ein oder aus, und ich höre den Pfiff der Lokomotive, ganz weit und ganz schwach. Das Rollen der Wagen ist zu einem monotonen einschläfernden Geräusch gedämpft, das jetzt sich im Umkreis zu verlieren scheint, jetzt erneut aus demselben hervorbricht – wie das Meer zur Ebbezeit immer weiter zurücktritt und doch immer wieder anschlägt. Es sind die Wagen und Equipagen, in welchen die geputzten Herren und Damen, die sich eben »gesegnete Mahlzeit« gewünscht haben, nach Hause fahren. Manchmal verirrt sich ein solches Gefährt, das mit müdem Gerassel über die Steine holpert, auf unsern Platz; denn wenn abseits der Welt, leben wir doch nicht völlig außer der Welt. Der Wagen hält; ich höre, wie der Kutschenschlag geöffnet wird oder ich höre vielmehr, wie man sich alle Mühe gibt, ihn zu öffnen, ohne daß er Miene macht, sich zu rühren, ebensowenig wie der Kutscher. Worauf das ganze Bild vor meiner Seele steht: er, der Treffliche, fest in seinen dicken Mantel gewickelt, mit der Fuchsbalgkappe über den Ohren und den pelzgefütterten Stiefeln bis über die Knie – beide unbeweglich, der Kutscher und der Kutschenschlag, als ob die Sache sie nichts anginge – was, im Grunde genommen, doch auch der Fall ist. Es ist, als ob es sie nur interessiere, zu sehen, wie die Nachtgäste sich aus ihrer schwierigen Lage befreien. Und sie müssen es sich wohl gefallen lassen und fertig zu werden suchen, so gut sie können. Denn wir, auf unserm Platze, sind bescheidene Leute; wir fahren nicht erster Klasse,wenn wir eine

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