Bilder bluten nicht
ihren grünlichen, mandelförmigen Augen an. Ihre Augen funkelten, aber sie warf mir ein trauriges Lächeln zu:
„Oh! Sie hier? Welch ein Zufall!“
Ich lächelte zurück:
„Na ja, ich bin eine Pariser Berühmtheit.“
„O ja, das kann man wohl sagen...“
Sie entschuldigte sich bei ihren Tischnachbarn und kam zu mir:
„...Mein Gott! Was sind Sie für ein schrecklicher Mensch“, kokettierte sie.
Ihr Abendkleid stand ihr traumhaft. Das Gegenteil hätte mich überrascht. Mannequin. Sie zeigte mehr Fleisch als ein paar Stunden zuvor, und unter ihrer schwarzen Hülle hatte sie sicher nur wenig an. Diese schulterfreien Kleider sind sehr hübsch, aber sie täuschen. Die Schultern, die Arme und ein beachtlicher Teil des Rückens sind entblößt, und dennoch stützt ein winziges Korsett mit Stangen, ich weiß nicht, wie man das nennt, dieser Teil des Kleides, der den Busen verdeckt... also, das ist Bauernfängerei. Das klebt an der Haut, das haftet daran; die Frau, die das trägt, kann sich Vorbeugen, kann sich nah an einen Mann drängen, ohne befürchten zu müssen, mehr zu zeigen, als erlaubt ist. Eine richtige Hochstapelei, wenn Sie meine Meinung hören wollen.
„Schrecklich?“ fragte ich. „Warum?“
„Nur so. Fordern Sie mich zum Tanzen auf?“
Sie legte ihre Hand auf meinen Arm. Ihr Parfüm überdeckte alle anderen und kitzelte mich in der Nase.
„Entschuldigen Sie“, stammelte ich. „Ich kann es nicht.“
„Wirklich?“
„Wirklich.“
„Sie müssen es lernen.“
„Das ist eine gute Idee. Sobald ich Zeit habe...“
„Ja...“
Ihr Blick verschleierte sich, und sie erschauerte:
„...Wenn Ihre Leichen Ihnen ein wenig Muße lassen.“
„Ach! Sie haben es erfahren? Stimmt. Die Zeitungen. Haben sie mich deswegen einen schrecklichen Menschen’ genannt? Wissen Sie, ich kann nichts dazu, zu dem Ganzen.“
„Da Sie ja nicht tanzen, laden Sie mich doch zu einem Glas Champagner an der Bar ein“, sagte sie unvermittelt.
Die Bar war in einem angrenzenden Raum eingerichtet, von wo aus man durch einen Spitzbogen hindurch den Saal und die Bühne im Auge behalten konnte. Wir nahmen an einem Ende der Theke Platz.
„Und ich habe Sie angerufen, um in Ruhe gelassen zu werden“, seufzte Geneviève. „Habe Sie für einen ruhigen Menschen gehalten. Und dann werden in Ihrem Büro Tote gefunden...“
„Ruhe gibt es nicht. Sehen Sie, Ihr Hotel ist bekannt und reputabel, nicht wahr? Na ja…“
Sie unterbrach mich:
„Ja, ich weiß... Etienne wohnte dort und...und dieser-...dieser Birikos auch...“
„Der Direktor ist wohl wütend?“
„Er zeigt es nicht, aber er ist es bestimmt.“
„Hören Sie, Geneviève... Ich darf Sie doch Geneviève nennen?... Wenn es Ihnen mißfällt, rächen Sie sich bitte nicht und nennen mich Nestor, wenigstens nicht laut... Darf ich?“
Sie erlaubte es mir mit einem Lächeln.
„Also, Geneviève... suchen Sie die Schuld nicht bei anderen; Sie haben schließlich das Gespräch darauf gebracht... Ich würde gerne mit Ihnen über diesen Birikos sprechen.“
„Nicht hier, wenn Sie nichts dagegen haben.“
„Sagen Sie mir nur, ob Sie ihn kannten.“
Ein Dritter kam dazu und hinderte sie zu antworten. Ein unangenehmer Kerl, der mir auf die Schultern klopfte und mit dröhnender Stimme brüllte:
„Verdammter Nestor!“
Ich drehte mich um und sah in das vergnügte Gesicht, in die wässrigen Augen von Marc Covet, dem Redakteur des Crépuscule.
„Man versteckt sich also“, warf er mir vor. „Man geht nicht mehr ans Telefon, man ist überall und nirgends, und seine Freunde läßt man auf dem Trocknen sitzen?“
„Auf dem Trocknen? Klingt komisch aus Ihrem Mund.“
„Sehr witzig!“
„Entschuldigen Sie mich“, sagte Geneviève. „Ich komme gleich wieder.“
Der Journalist sah sie interessiert an.
„Hübsche Puppe“, sagte er, als sie sich entfernt hatte.
„Sie haben sie verscheucht.“
„Sie hat versprochen zurückzukommen. Gut. Ich freue mich sehr, Sie am Wickel zu haben. Was ist das für eine Sache mit diesem Birikos?“
„Lesen Sie denn keine Zeitungen?“
„Ich mach sie, verdammt nochmal, und das ist nicht immer leicht. Es ist sogar sehr schwierig, weil ich rieche, Sie wollen mir nichts sagen, nicht wahr?“
„Sie haben eine gute Nase.“
Er runzelte die Stirn und lächelte gleichzeitig.
„Schon gut. Ich werde auch so klarkommen.“
„Das sollten Sie auch besser. Sie gehen mit auf den Wecker.“ Während ich redete, suchten meine
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