Bilder bluten nicht
Augen die Bar ab. Trotz des gedämpften Lichts, das viele Ecken im Dunkeln ließ, bemerkte ich Geneviève. Sie war am anderen Ende der Theke mit einem alten Beau mit ernstem Gesicht in ein Gespräch vertieft. Oder vielmehr in das Ende eines Gesprächs, denn sie waren gerade dabei, sich zu trennen. Geneviève verschwand in der Toilette; den alten Beau verlor ich aus den Augen.
„Ich hau ab“, sagte Covet. „Ich versuche, mir woanders Tips zu holen.“
Geneviève kam zurück. Ich sah, wie der Journalist sie anquatschte und ein paar Worte mit ihr wechselte. Dann verlor er sich in der Menge.
„Ich war doch nicht zu lange weg?“ fragte Geneviève und stieg auf den Hocker neben mir.
Sie schien müde und angewidert. Wenn das die ganze Wirkung war, die der Redakteur des Crépu bei ihr hinterließ... Ich machte ihr ein galantes Kompliment, dann sagte ich:
„...Hat der Kerl versucht, Sie auszuquetschen?“
„Welcher Kerl?“
„Dieser blöde Reporter, mein Freund.“
„Äh... vielleicht... jedenfalls habe ich ihm nicht viel erzählt.“
Sie trank aus.
„Bleiben Sie noch, Monsieur Burma?
„Ich weiß nicht.“
„Ich gehe. Ich habe genug von diesem ganzen Krach. Begleiten Sie mich. Sozusagen als Leibwächter.“
„Dabei fällt mir ein, daß Chassard sich hier in der Ecke herumtreibt.“
„Sehen Sie! Ich brauche Sie...“
Sie zuckte mit den Achseln:
„...Der arme Chassard! Man kann eher Mitleid mit ihm haben als ihm böse sein.“
„Ich sollte ihn aus dem Fenster Ihrer Wohnung werfen!“
„Ja, das war keine schlechte Idee.“
Jetzt zuckte ich mit den Achseln.
„Gehen Sie schon mal voraus“, sagte sie. „Ich verabschiede mich noch von meinen Freunden.“
Ich zahlte, holte meine Klamotten und wartete in der Nähe der Garderobe auf sie. Sie kam bald und holte sich ihr Pelzcape. Dann verließen wir die „Grille“. Ihr Auto stand in der Rue des Pyramides, nur ein paar Schritte von dem Cabaret entfernt. Ein elegantes kleines Kabriolett.
„Fahren Sie, ja, Monsieur Burma?“
Ich setzte mich ans Steuer.
„Wohin fahren wir?“
„Also... Wohin möchten Sie?“
„Ich weiß nicht.“
„Zu Ihnen vielleicht, Sie Filou?“
„Nein, da liegt zuviel Staub.“
„Das dachte ich mir. Hotel Transocéan, Chauffeur. Und zwar schnell. Ich habe Durst.“
„Wir können an einem Bistro halten oder in die „Grille“ zurückfahren.“
„Ich möchte aber zu mir.“
„Gut, Mademoiselle...“
„...Was machen wir mit dem Wagen?“ fragte ich, als ich vor dem Hotel hielt.
„Hier kümmern sich die Angestellten um alles“, sagte sie und stieg aus. „Aber vielleicht... Wohnen Sie weit weg?“
Ich saß immer noch am Steuer.
„Ziemlich weit.“
„Wollen Sie es nehmen?“
„Also eigentlich...“
„Sie werden zu Hause erwartet?“
„Wahrscheinlich. „
„Sie sind sich nicht sicher?“
„Doch, ich bin mir sicher. Sie erwartet mich.“
„Wie heißt sie?“
„Rechnung.“
Sie lachte nervös:
„Sie sind unbezahlbar.“
„Leider!..
Ich stieg aus und schlug die Tür zu. Es war ein sehr hübsches Kabriolett.
„...Sie hätten solch ein Gespräch nicht beginnen dürfen. Das hat mich ebenfalls durstig gemacht... Darf ich...Sie begleiten?“
Sie sah mich wortlos an und drehte sich dann auf dem Absatz um. Ich tauchte in ihr Parfüm ein. Als sie an der Rezeption vorbeiging, bestellte sie erfrischende Getränke in ihre Wohnung. Im Salon oben warf sie ihr Pelzcape schwungvoll auf einen Stuhl und ließ sich in den Lehnstuhl fallen.
„Ich bin wie gerädert“, sagte sie. „Entschuldigen Sie bitte, Monsieur Burma, aber... ich möchte Sie bitten, nicht zu lange zu bleiben... Legen Sie trotzdem Ihren Mantel ab... hier erstickt man ja.“
Ich legte Mantel und Hut auf das Pelzcape.
„Zigarette?“
Ich nahm die Filterzigarette und gab uns beiden Feuer.
„Kannten Sie diesen Birikos?“ fragte ich.
Ich hatte keine Chance mit dieser Frage. Kaum hatte ich sie gestellt, als es an die Tür klopfte. Ein schläfriger Hotelangestellter brachte die bestellten Getränke. Als er hinausgegangen war, um sich wieder schlafenzulegen, fragte ich: „Kannten Sie diesen Birikos?“
Sie sah mich über ihr Glas hinweg an:
„Sie sind ein richtiger Detektiv. Keine Zeit zum Luftholen. Immer Fragen. Das muß ein aufregender Beruf sein, wenn Sie mit soviel Hartnäckigkeit dabei sind! Sie müssen mir von Ihren Fällen erzählen.“
„Ich werde Ihre krankhaften Neigungen nicht befriedi-gen.“
„Das sind
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