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Bilder bluten nicht

Bilder bluten nicht

Titel: Bilder bluten nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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heiserer Stimme.
    „Lassen Sie besser die Frau los. Sie tun ihr weh.“
    Ich antwortete nicht.
    Ich drückte sie noch heftiger an mich, verschmelzte sie mit mir, preßte meine Lippen auf ihren Mund, der nach Himbeeren schmeckte. Sie erwiderte meinen Kuß nicht. Ich spürte, wie sie sich steif machte, wie von Abscheu erfüllt.
    Ich ließ sie los.
    „Entschuldigen Sie“, .sagte ich. „Das ist Ihre Schuld.“
    Sie ging schwankend zu ihrem Sessel und brach dort schluchzend zusammen, den Kopf auf ihre Arme gelegt. Ich beobachtete sie einen Augenblick schweigend, dann schnappte ich mir meinen Mantel, zog ihn über, nahm meinen Hut.
    „Gute Nacht“, sagte ich. „Gute Nacht... Geneviève.“
    Sie hob mir ihr tränenüberströmtes Gesicht entgegen, tupfte sich mit einem irgendwoher geangelten Taschentuch die Nasenspitze, warf mir einen verängstigten Blick zu.
    An der Tür holte sie mich wieder ein. Jetzt war sie es, die mich mit ihren duftenden Armen umklammerte, und wenn sie eben meinen Kuß nicht erwidert hatte, so gab sie mir jetzt einen, der doppelt zählte. Die Musik zog immer noch durch den Raum, sanft, einschmeichelnd, aufreizend. Mir schien es, als hielte ich alle Fotos der Vogue gegen meinen erschauernden Körper.
     
    ***
     
    Ich wachte mit einem leichten Kater auf. In einem Bett, das mir fremd vorkam. Ich kenne meine Koje. Sie hat hier und da Buckel. Diese hier hatte überhaupt keine. Durch die Spalten eines schlecht zugezogenen Vorhangs drang fahles Tageslicht ein und erhellte ein wohlriechendes Schlafzimmer, das nicht das meine war. Ich spürte einen warmen Körper neben mir... Geneviève... Sie gab ein leises Gemurmel von sich, bewegte sich ein wenig, wachte aber nicht auf. Nun, da hatten wir’s! Sie hatten gewonnen, Faroux, Chassard, all diese Hellseher! Faroux! Er hatte sich aber doch in einem Punkt geirrt, der liebe Florimond. Dreißig Jahre, hatte er gesagt. Vielleicht. Aber einige davon zählten doppelt. Sie war immer noch schön, aber ohne die Hilfe von Make-up und günstigem Licht zeigte das Gesicht...sein wahres Gesicht. Und der Busen hatte viel von seinem Stolz eingebüßt. Ich schimpfte mit mir. Was sollte diese kritische Ader in einer derartigen Situation? Ah ja! Monsieur Nestor Burma, Detektiv. Ein schöner Saukerl, wenn er so weitermachte. Ich stieg aus dem Bett, zog meine Hose an und ging in den kleinen Salon. Ich machte Licht, und aus einem Spiegel schaute mir mein Bild entgegen. Monsieur Nestor Burma, Detektiv. Jaja. Geräuschlos und geschmeidig fing ich an, systematisch überall herumzuschnüffeln. Den Salon, das Schlafzimmer, das Badezimmer, eine Kleiderkammer, die Kleider, ich schaute mir alles an. Ich wußte nicht genau, was ich suchte, und ich fand auch nichts, aber ich erledigte meine beschissene Arbeit. Wenn mich das trösten konnte: ich war nicht der einzige. Ich bemerkte an bestimmten Einzelheiten, die, außer für ein geübtes Auge, nicht wahrnehmbar sind, daß noch andere Schnüffler in den vergangenen Tagen hiergewesen waren. Vielleicht die Flics. Vielleicht andere. Ich war wieder im Salon. Geneviève rief nach mir. Ich ging zu ihr.
    „Wünschen Mademoiselle, daß ich die Vorhänge aufziehe und für Mademoiselle die Tuilerien näher heranholen lasse?“ fragte ich.
    „Mein Gott! „ gurrte sie. „Wieviel Poesie für einen... einen Detektiv! Nein, mon Chéri, fass’ vor allem die Vorhänge nicht an. Ich sehe schrecklich aus, wenn ich aufwache.“
    Sie schien das nicht zu sagen, um sich interessant zu machen. Der Gedanke mußte sie wohl tatsächlich plagen.
    Ich ging in den Salon. Ich zog die Vorhänge auf, öffnete die Fenster und wagte mich auf den Balkon. Die Luft war eisig. Ein gelblicher Nebel stand über Paris. Aber bald würde er sich gelichtet haben. Hinter dem Louvre ging die Sonne auf.
     

11
    Die Vögel
     
    Um zehn Uhr betrat ich mein Büro. Hélène saß vor ihrer Schreibmaschine und überflog die Zeitungen. Sie schnupperte:
    „Woher kommen Sie denn, Chef?“
    „Aus dem Bett. So ungefähr jedenfalls.“
    „Ich dachte, sie wären in einen Topf von Chanel gefallen.“
    „Ach!“
    „Wir werden Ihren Anzug desinfizieren lassen müssen.“
    „Ja, vielleicht...“
    Ich zeigte auf die Zeitungen:
    „...Was Neues da drin, mein Schatz?“
    „Kommen Sie wieder zu Vernunft. Sie sind hier in der Agentur Fiat Lux. Nicht im Bett Ihres Schatzes.“
    „Gibt’s trotzdem was Neues?“
    „Nichts weiter. Reboul hat angerufen.“
    „Und?“
    „Nichts

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