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Bilder bluten nicht

Bilder bluten nicht

Titel: Bilder bluten nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Finger verbrannt hatte, konnte sie jetzt in die Schälchen mit dem kalten Wasser tauchen, in denen Körnerhülsen schwammen.
    Ich ging wieder zu Hélène.
    Vor Vergnügen hatte sie Tränen in ihren schönen grauen Augen.
    Aber man durfte sich keine Illusionen machen. Das hübsche Intermezzo war beendet, und ein dumpfes Vorgefühl sagte mir, daß die Scheiße bald wieder anfangen würde.
     

12
    Die Elster
     
    Wir aßen ganz in der Nähe zu Mittag, und danach gingen wir an den Quais spazieren. Ich hatte mehr oder weniger die Absicht, Hélène mit auf Corbignys Jacht zu nehmen.
    Aber es sollte anders kommen. Beim Anblick der Clochards, die sich unter dem Pont-Neuf mit Hilfe von Kisten eine Art Hütte bauten, erinnerte ich mich wieder an die, die mich vor dem Ladenlokal des Vogelhändlers aufgelesen hatten, keuchend und halbtot. Und mir kamen Bruchstücke des Monologs der Bettlerin und ihres Gesprächs mit Bébert wieder in den Sinn. „Ich kenne den Mann“, hatte sie immer wieder gesagt. Dieser Mann war nicht ich. Wenn ich nicht geträumt hatte, war der Mann derjenige, den die Fotografie darstellte, die Bébert in meiner Brieftasche gefunden hatte (also wirklich, diese Béberts oder Alberts stecken gerne ihre Finger in die Brieftaschen anderer Leute!), die Fotografie von Louis Lheureux, die also nicht von Birikos und Co. geklaut, sondern von der sentimentalen Clocharde aufbewahrt worden war. Und diese Clocharde, dessen war ich sicher, hatte Lheureux im vergangenen Jahr, als wir zusammen bei den Hallen herumgestrolcht waren, angeherrscht. Was hatte sie noch gesagt, Aurélienne d’Arnetal, weil das ja während ihrer Glanzzeit ihr Pseudonym in der Pariser Lebewelt gewesen war? Sie hatte gesagt...
    „Aurélienne d’Arnetal, sagt Ihnen der Name was?“ fragte ich Hélène, die sich auf das Geländer der unter Henri IV. erbauten Brücke stützte und das graue Wasser betrachtete.
    Sieh an! Ich hatte jetzt auch schon Faroux’ Marotte angenommen.
    „Nein. Tier, Mineral oder Pflanze?“
    „Tier? Sie muß wohl eins gewesen sein, ein rassiges. Mineral? Sie hatte bestimmt Diamanten im Überfluß. Jetzt übrigens nicht mehr. Heute vegetiert sie dahin. Clocharde. In der Zweiten Belle Epoque — 1920 — ist sie für die Lianes de Pougy und Emiliennes d’Alençon eingesprungen..
    „Sie sind ja unheimlich im Bilde über diese Damen.“
    „Ja, ziemlich. Diese Aurélienne dArnetal verdiente es, ebenso bekannt zu sein wie die Bibliothèque Nationale.“
    „Ach ja?“
    „Gestern hab ich in der Rue de Richelieu ohne Erfolg ein Dokument gesucht, das diese Clocharde mir im Delirium weggenommen hat, ohne es zu wollen. Übrigens hatte ich ihre Worte vergessen, die ich mehr mit hängenden Ohren gehört hatte.“
    „Und ist es wichtig?“
    „Es ist mir zwar nicht von großem Nutzen, aber es bestätigt eine Vermutung, und es lüftet einen Schleier. Darüberhinaus verstehe ich jetzt, warum Birikos und Co. so sicher waren, daß ich in die Affäre mit dem Bild von Raffael verwickelt war. Kommen Sie. Ich werde versuchen, Ihnen Aurélienne d’Arnetal vorzustellen.“
    Wir gingen zur Uferböschung hinunter, aber nirgendwo entdeckte ich die gestürzte Königin des Paris der Nachkriegszeit.
    Wieder auf dem oberen Quai, kaufte ich die erste Ausgabe des Crépuscule - die sechste oder siebte. Ich fuhr hoch.
    Auf der Titelseite prangte, Außen- oder Innenpolitik verdrängend, das Bild von Geneviève, einer Geneviève, deren Sex-Appeal aus allen Poren der großzügig dargebotenen Haut drang.
     
    ***
     
    Marc Covet empfing mich in seinem Büro beim Crépu, ohne daß ich mir diesmal die Beine in den Bauch stehen mußte. Ein spöttisches Lächeln huschte über sein Gesicht.
    „Was ist das denn da?“ sagte ich, indem ich ihm das Exemplar seines Käseblättchens zeigte.
    Sofort nachdem ich es auf den Quais gesehen hatte, hatte ich Hélène stehengelassen, und Corbigny, meinem zweiten „ganz ruhigen“ Kunden, hatte ich sowieso nichts zu sagen. In einem Taxi hatte ich mich zur Zeitung meines blutsaugerischen Freundes fahren lassen, weil ich mit ihm zu reden hatte. Der Artikel, der Geneviève gewidmet war, trug die fettgedruckte Überschrift:
     
    Der Abenteuerroman von Jeny,
    Mannequin in Paris,
    schöner als die Bilder des Louvre...
     
    Eine schlecht gewählte Überschrift... ungleichmäßige Syntax, aber zugkräftig. Der Text auf der zweiten Seite, von Marc Covet unterzeichnet, ebenfalls fettgedruckt, nahm die halbe Seite ein. Dort schrieb

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