Bilder bluten nicht
diese Schublade geworfen.“
„Dort ist er nicht“, sagte Hélène.
„Aber ja doch, schauen Sie richtig nach. Das ist nicht der Schmuck einer Begum. Man würde nicht im Traum daran denken, ihn uns zu klauen, diesen... Herrgott nochmal!“
Ich fing an, die Schublade zu durchwühlen. Diese Schublade stand neulich sperrangelweit offen, in der Nacht, als ich die Leiche von Birikos gefunden hatte. Zavatters Brief war nicht da. Zusammen mit Hélène suchte ich überall. Unauffindbar..
„Unauffindbar“, sagte Hélène.
„Unauffindbar, weil einer meiner Einbrecher ihn mitgenommen hat. Um diesen Fetzen Papier haben sie sich gestritten, und wegen dieses uninteressanten Briefes ist Birikos gestorben. Nicht ganz uninteressant. Er ist der Anfang einer Spur. Hélène, halten Sie das in Ihrem hübschen kleinen Kopf fest: Birikos und X...bilden sich ein, ich hätte meine Finger in dieser Sache mit dem Bild im Spiel. Birikos und X... kommen zu der Gewißheit, daß ich meine Finger im Spiel habe. Sie kommen hierher, um nach Indizien zu suchen. X... findet diesen Brief. Das bringt ihn auf die Spur. Er will seinen Fund für sich behalten, aber Birikos bemerkt, daß er etwas einsteckt. Er holt die Kanone raus und befiehlt dem andern, das Indiz rauszurücken. Gerangel und Tod von Nick Birikos.“
„Aber das ergibt doch keinen Sinn.“
„Nicht weniger, als wenn sich ein fetter Geldsack mit philosophischen Ambitionen in der Gesellschaft von Dichtern gefällt.“
Daraufhin nahm ich meinen Hut und ging hinaus. Ein Taxi brachte mich im Eiltempo zu dem Quai, wo die „Sonnenblume“ festgemacht hatte, eine hübsche, sehr saubere Jacht, die auf den Wellen schaukelte.
Der Süßwassermatrose stand immer noch an Deck, den Blick in Richtung Îles Sous-le-Vent gerichtet, eingezwängt in seinen Pullover, die Seemannsmütze schräg auf dem Kopf, die Stummelpfeife zwischen den Zähnen. Ich kletterte an Bord, schob den Kirmesmatrosen zur Seite und öffnete die Tür zur Kajüte. Drinnen waren der Alte, Corbigny, leicht euphorisch, wie mir schien, und Zavatter, der aufsprang und mit der rechten Hand unter die Achsel langte, weil er mich bestimmt für einen der im Arbeitsvertrag vorgesehenen Feinde hielt. Auf dem Tisch lagen Zeitungen neben einer Flasche mit Gläsern.
„Monsieur Burma!“ rief Corbigny aus. „Welch freudige Überraschung! Seien Sie willkommen. Welch günstiger Wind treibt Sie in unsere Gewässer?“
„Ich wollte Ihnen eine Kostprobe meines Könnens geben“, sagte ich. „Es könnte ja sein, daß Sie eines Tages ein kniffliges Rätsel zu lösen haben; dann können Sie sich ohne Scheu an mich wenden.“
„Sehr gut, sehr gut. Monsieur Zavatter, würden Sie uns bitte etwas zu trinken eingießen?“
„Also“, sagte ich. „Sie sind reich, sehr reich. Sie besitzen zwei Schiffe. Das eine heißt ,Die rote Blume von Tahiti’, das andere ,Sonnenblume’...“
Corbigny nickte zustimmend.
„...Das erste“, fuhr ich fort, „ist eine Hommage an Gauguin, der in Tahiti, neben anderen Bildern, ,Brüste mit roten Blumen’ gemalt hat. Das zweite ist eine Hommage an van Gogh. Ich verrate Ihnen nicht weshalb. Sie sind in der Kunstgeschichte sehr bewandert und kennen besser als ich die Bedeutung der Sonne im Werk dieses Malers. Sie sind reich, haben einen ausgesuchten Geschmack, sind ein bißchen zynisch und wahrscheinlich Kunstsammler. Einer von diesen Sammlern, bei denen die Leidenschaft für die Kunst die Skrupel verscheucht hat. Sie haben Ihre Schlösser in der Normandie verlassen und sind nach Paris gekommen, um irgendetwas in Empfang zu nehmen. Irgendetwas sehr Teures, was Sie nicht per Scheck bezahlen konnten. Und zwar von Leuten, die logischerweise ebenfalls skrupellos sind und dazu gefährlicher als ein besessener Sammler. Also brauchten Sie einen Leibwächter, der das hübsche Paket mit den Millionen in bar beschützte, das Sie mit sich herumschleppen, und der Sie selbst beschützt, wenn Sie die Millionen gegen Aushändigung des Raffael aus dem Louvre losgeworden sind. Soweit richtig?“
13
Das Palais-Royal ist ein gutes Viertel...
Roger Zavatter stieß einen lauten, langanhaltenden Fluch aus. Monsieur Pierre Corbigny wurde nicht verlegen. Bedächtig nahm er einen Schluck, dann brach es aus ihm heraus: „Genial! Wie haben Sie das herausgefunden?“
„Durch einen Fehler. Einen Fehler, den andere begangen haben. Einen richtigen Fehler, wie man so sagt.“
„Kauderwelsch“, protestierte er. „Eben haben
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