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Bilder bluten nicht

Bilder bluten nicht

Titel: Bilder bluten nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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erloschenen Zigarrenstummel.
    „Na ?“ sagte ich. „Haut man ab? Fährt man nach Hause?“
    „Wie Se seh’n“, gab er mit einer weitausholenden Bewegung zurück, wobei er das ie auf e verkürzte.
    „Emilie wird sich freuen. „
    „Hmjaa...“
    Er packte die Kleidungsstücke in den Koffer... Hemden-...Socken...
    „Sie haben ein komisches Spiel mit mir gespielt, eben. „
    Er lachte leise.
    „Das macht nichts“, fuhr ich großzügig fort. „Ich werde alles auf die Rechnung Ihrer Frau schlagen. „
    „Gewiß doch“, brummte er.
    Dann fing er wieder an zu lachen. Der Zigarrenstummel hüpfte in seinem Mund. Ich gähnte und beendete das Gespräch:
    „Also, salut, Lheureux. Ich werde bezahlt, damit ich Sie in den Zug setze. Ich werde Ihre Abreise nicht verzögern. „
    „Salut“, erwiderte er.
    Er drehte mir den Rücken zu und goß sich Schnaps ins Glas, ohne mir etwas anzubieten.
    Dann trat er wieder in den Spiegel zurück, um sich später umfahren zu lassen. Der Koffer mit den Socken, den Hemden und einer gutgefüllten Brieftasche, in die Albert gegriffen hatte, blieb noch ein paar Sekunden auf dem Bett liegen, dann verblaßte auch er und verschwand.
     
    Alkoholismus oder Fieber, jedenfalls bewegten sich meine Füße automatisch.
    „Das ist doch sonnenklar“, sagte ich laut.
    „Na, fangen Sie wieder an?“ sagte Hélène. „Sie sind fünf Minuten ruhig gewesen. Das konnte nicht so bleiben. Ich glaube, ich sollte besser den Onkel Doktor rufen... einen von Ihren Freunden...“
    „Keinen Doktor“, sagte ich. „’n bißchen Schnaps, Hélène.“
    „Ich werde Ihnen eine Tablette geben. Ich habe keinen Schnaps. Ich habe denaturierten Alkohol; aber ich gebe Ihnen eine Tablette.“
    Sie fing an, ihr teuflisches Gebräu zu mischen.
    „Hélène, was ist das für ein Bild?“
    „Welches Bild?“
    „Dieser blöde Druck, der etwas schief hängt.“
    „Ein blöder Druck, wie Sie sagen. Nicht mehr.“
    „Zufällig nicht von Raffael signiert?“
    „Lassen Sie Raffael in Ruhe.“
    „Möchte ich ja gerne, aber er läßt mich nicht.“
    „Trinken Sie.“
    Sie hob das Schmerzmittel an meine Lippen. Ich schob es weg:
    „Erst, wenn Sie in den Spiegel gesehen haben. Sehen Sie in den Spiegel, Hélène.“
    „Man soll Kranken nie widersprechen. So, ich sehe in den Spiegel.“
    „Sie finden sich schön. Aber Sie wären noch schöner, wenn-... Wie ist der Spiegel festgemacht?“
    „Mit einem Bindfaden an einem Haken, da oben. Also wirklich, so hübsch ist das Zimmer auch wieder nicht. So hängt ein Schmierfink ein Bild auf.“
    „Schmierfink? Jetzt übertreiben Sie. Steigen Sie auf einen Stuhl und untersuchen Sie dieses Schmierfinksystem.“
    „Und währenddessen starren Sie auf meine Beine? Also wirklich, es geht Ihnen besser, nicht wahr?“
    „Ja. Auf beide Fragen, Mademoiselle Chatelain.“
    Sie stieg auf einen Stuhl.
    „...Staub?“
    „Viel. Also wirklich...“
    „Sagen Sie nicht immer ,also wirklich’. Und hören Sie auf, dieses Zimmer schlechtzumachen. Das ist ein Zimmer für ’ne Prinzessin. Mehr oder weniger. Neu, der Bindfaden?“
    „Nein. Aber die Enden sind sehr lang.“
    „Weil man vor kurzem den Spiegel näher an die Wand gezogen hat.“
    „Möglich.“
    „Danke. Steigen Sie von Ihrem Stuhl, und heben Sie dabei den Rock etwas hoch, damit ich was seh für mein Geld.“ Natürlich stieg sie so keusch wie möglich runter. Es gibt Mädchen, die werden’s nie begreifen. Ich stand auf. Trotz ihrer Proteste kletterte ich jetzt auf den Stuhl. Sah prima aus, mit Slip und wehendem Hemd. Ich machte den Knoten des Bindfadens auf, nahm den Spiegel von der Wand und faßte dahinter. Ich holte etwas hervor, das so aussah wie dicke Leinwand. Auf der einen Seite war es rauh. Auf der anderen auch, mehr oder weniger, aber hübsch anzusehen, ganz bunt. Hübsch und nicht unhandlich. Fünfzig mal fünfundzwanzig Zentimeter.
    „Mein Gott!“ entfuhr es Hélène.
    „Holen Sie diesen denaturierten Alkohol. Ich werd mir den halben Liter reinschütten.“
    Ganz in Gedanken reichte sie mir das Fläschchen. Ich hob es an meine Lippen.
    „Auf dein Wohl, Raffael“, sagte ich, zitternd wie Espenlaub.
     

15
    Der erste Tote... Folge zwei
     
    „Dieser verflixte Lheureux!“ lachte ich.
    Ich hatte wieder die liegende Haltung eingenommen. Hélène stand an meinem Kopfende, fertig angezogen zum Ausgehen, mit Hut, ein Paket unterm Arm.
    „Mein Gott!“ wiederholte sie zum hundertsten Mal. „Also, dieser Lheureux,

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