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Bilder bluten nicht

Bilder bluten nicht

Titel: Bilder bluten nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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dieser harmlose Lheureux...“
    „Ich werde es Ihnen später erklären. Aber ich will Ihnen zwei Dinge sagen: In dieser Straße befindet sich das Sekretariat der Beaux-Arts, und weiter oberhalb steht das Haus, in dem Robert Houdin sein Theater eingerichtet hatte. Beaux-Arts und Zauberkunst. Das ist alles. Ich finde das lustig. Sagen Sie, was ich da hinter dem Spiegel hervorgezaubert habe, das ist besser als ein Kaninchen, hm? Drei Millionen, Hélène, wenn Florimond Faroux Wort hält. Wenn nicht, verscheuer ich das Ding an Corbigny...“
    Mit einem Mal fröstelte ich. Ich war mit meinen Gedanken weit fort und hatte vergessen, daß inzwischen vielleicht... unter Umständen...?
    „Corbigny...wenn er noch lebt. Nichts Neues von Zavatter im Laufe des Nachmittags?“
    „Nein.“
    „Gut. Verdammt! Ich müßte mich eigentlich auf die Socken machen!“
    „Sie haben für heute Ihren Teil weg. Nehmen Sie dieses Beruhigungsmittel. „
    „Gleich. Also, haben Sie alles verstanden?“
    „Ja. Ich fahre zu meiner Mutter und versteck das hier in dem Schrank, den sie nur alle Jubeljahre einmal öffnet.“
    „Großartig. Wir sehen uns morgen.“
    „A propos Lheureux.. „
    „Später. Ich werde es Ihnen später erklären.“
    „Ich werde Ihnen jetzt etwas erklären. Eben hielt ich es nicht für angebracht, Sie darüber zu informieren. Sie waren doch so krank! Reboul hat heute nachmittag im Büro angerufen. Aber nicht, um zu sagen, daß alles in Ordnung ist. Sondern um Ihnen Bescheid zu geben, daß Lheureux heute nachmittag aus dem Krankenhaus ausgerissen ist.“
     
    ***
     
    Zehn Minuten, nachdem Hélène fortgegangen war, verließ ich das Hotel der Überraschungen, eingemummt in den Dufflecoat von Octave Miret. Ich war zwar noch nicht in der Lage, auf den Putz zu hauen, aber ich konnte ohne Schwierigkeit aufrecht gehen, und mein Kopf war schon wieder fast in Ordnung. Wenn ich auf meine Schuhe sah, hatte ich nicht das Gefühl, als käme mir der Bürgersteig entgegen. Mit Zielwasser im Bauch und einem Püster unterm Arm konnte ich schon wieder Staub aufwirbeln. Zuerst ging ich in die Agentur. Kein Flic auf der Straße. Kein verdächtiges Individuum vor der Tür. Keine dunkle Gestalt im Treppenhaus. Kein Kerl im Büro. Ich genehmigte mir das fällige Hausmittel, wechselte das Hemd, bewaffnete mich mit meiner Artillerie, behielt den Dufflecoat an und ging in die stille und kalte Nacht hinaus, in Richtung Transocéan.
    Ich hastete an der Rezeption vorbei, grüßte den Angestellten herablassend und eilte zu den Fahrstühlen. Bevor der Zerberus mir Fragen stellen konnte, war ich schon in der vierten Etage. Ich verließ den Fahrstuhl und stieg zu Fuß in die fünfte. Die Flure, nur erhellt von der Nachtbeleuchtung an der Wand, lagen in tiefem Schlaf. Als ich an den Zimmern vorbeiging, hörte ich jemanden schnarchen. Ich kam zu Genevièves Tür, bückte mich, legte mein Ohr ans Schlüsselloch. Gedämpft drangen Stimmen zu mir. Ich holte das kleine Gerät aus der Tasche, mit dem ich meine Pfeife reinige und noch andere Dinge tue. Dünne Nickelstifte für zerstreute Leute, die ihre Schlüssel verlieren. Wie ein leichtes Mädchen gab das Schloß bald nach, allerdings geräuschloser. Vor dem Salon befand sich ein winziger Vorraum, der als Windfang diente und die Geräusche dämpfte. Normalerweise war die Tür dieses Vorraums geschlossen oder angelehnt. Da ich meinen Glückstag hatte, war sie es heute nicht, und das Paar im Salon sah mich hereinkommen.
    Geneviève rekelte sich in ihrem Lehnsessel, in einem Kleid, das ich noch nicht kannte und das sie mehr entkleidete als alles andere, tiefdekolletiert, enganliegend und alles. Jede Menge Sex-Appeal. Aber Geneviève sah schlecht aus. Sie war ungekämmt, schlecht geschminkt, ihre Augen waren vom Weinen gerötet.
    Der Kerl dagegen hatte in einem Sessel gesessen, aber wohlerzogen, wie er war, hatte er sich erhoben, um mich zu begrüßen. Ein Mann im reifen Alter - in den Fünfzigern — mit etwas dicklichen und harten Gesichtszügen. Schlecht rasiertes Kinn, dicker, schwarzer Schnurrbart, ziemlich dichtes, silbergraues Haar. Er trug ein korrektes, dunkles, fast schwarzes Jackett, ebensolche Weste und gestreifte Abteilungsleiterhose. Er sah ein wenig linkisch aus in diesen Kleidern. Allerdings kam mir das vielleicht nur so vor, weil ich wußte, daß es nicht seine waren. Er hatte offensichtlich Schmerzen an einem Bein. Es stand ihm sozusagen nicht zur Verfügung. Mit der linken Hand stützte

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