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Bilder von A.

Titel: Bilder von A. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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beide am meisten haßten, weil da alle Blumen blühen und die Wiesen voller Veilchen stehen und sogar in Berlin meistens die Sonne scheint, nur um sich über uns lustig zu machen.
    Die Spielzeit war jedenfalls kurz darauf zu Ende, und obwohl A. und ich gehofft hatten, daß wir den Dichter in Preußen und das Kinder-Kleist-Stück vielleicht mit Umarbeitungen und gewissen Änderungen in die nächste Spielzeit hinüberretten und wieder aufnehmen könnten und viele wichtige dramaturgische und politische Gründe dafür zusammengetragen hatten, winkte der Intendant beim offiziellen Gespräch bloß mit der Hand ab. Nein. Keine Rede davon.
    Mein Vertrag wurde nicht verlängert. Ich war gefeuert.
    Da könne er auch nichts machen, sagte A. und hatte recht. Der Prinz von Homburg und Der zerbrochene Krug blieben noch jahrelang auf dem Spielplan des Berliner Theaters , aber der Dichter in Preußen war gestorben.
     
    Irgendwann zwischen den Besprechungen und Proben und Szenen mit den Kindern habe ich ein Kleist-Bild gemalt. Darauf sieht man Kleist und Henriette Vogel, wie sie schon tot daliegen, hinter ihnen der Kleine Wannsee, der meerähnlich und wellenreich, mit einem dreimal so hohen Himmel darüber dargestellt ist, eine Hommage an Caspar David Friedrich und seinen Mönch am Meer , von dem Kleist sagt, es ist, als ob einem die Augenlider abgeschnitten wären .
    Caspar David Friedrich vereinnahmten wir nämlich genau wie Kleist und glaubten, sowieso die einzigen auf der Welt zu sein, die seine Malerei überhaupt verstehen könnten. Den Mönch am Meer , der sonst in Westberlin hing, hatten wir erst kurz vorher zum ersten Mal im Originalsehen können, auf einer großen Caspar-David-Friedrich-Ausstellung in Dresden. Es ist in seinen Ausmaßen noch größer als Die gescheiterte Hoffnung , die wir in Dresden auch zum ersten Mal im Original sahen; dadurch wirkt das Mönchlein vor dem Meer und dem hohen, weiten Himmel noch winziger als in den Reproduktionen, die wir bis dahin allein kannten. Die Ausstellung war eine echte Sensation, die gesamte kleine Ostberliner Künstlerwelt hatte sich nach Dresden aufgemacht, einen Zug überfüllt, wie Fans bei einem Fußballmatch, um ihre Mannschaft zum Sieg anzuspornen.
    Das Kleist-Bild habe ich auf eine fast quadratische kleine Holzplatte gemalt, wahrscheinlich war es wieder ein Regalbrett, diesmal wohl aus einem Küchenschrank. Im Vordergrund sieht man einen roten Gartentisch, auf dem noch das Geschirr steht, von dem »sie tüchtig gegessen hatten«, wie es in dem Kinderaufsatz heißt. Der rote Tisch verdeckt die Schriftzüge eines Kleist-Briefes, jenes, in dem er schreibt: Meine Seele ist so wund , daß mir, wenn ich die Nase aus dem Fenster stecke, das Tageslicht wehe tut, das mir darauf scheint. Lesbar davon ist nur:
    Ist so
    Mir, wenn
    Kopf aus
    dem stecke
    das Licht weh
    mir darauf
    schimmert
     
    Eines Tages fragte mich A., ob er sich das Bild für ein paar Tage ausborgen könne zum ausgiebigen Betrachten. Ich gab es ihm mit, und als er es nach ein paar Tagen wieder zurückbrachte, sagte er ganz beiläufig, er habe dem Bild etwas hinzugefügt, etwas Gedichtetes, auf der Rückseite, kannst es ja mal bei Gelegenheit lesen, und dann war er schon wieder weg, zu der Frau oder einem Freund oder nach Hause, um allein zu sein, oder um Fahrrad zu fahren und sich Gedanken zu machen – in eine der Welten entschwunden, zu denen er mir den Zutritt versagte.
    Natürlich habe ich das Bild, sobald er gegangen war, umgedreht und das »Gedichtete« gelesen, das so begann:
    In einer starren, abgestoßnen Welt
    Erwachen miteinander zwei zum Leben.
    Wo ist das Haus jetzt, um sie aufzuheben?
    Wo ist die Höhle jetzt, die sie behält?
    Und dessen letzte Zeilen waren:
    Der beste Panzer ist, sich preiszugeben,
    Erschaffen werden kann nur, was zerschellt.
    (siehe umseitig)
    Mit »umseitig« meinte er wohl, das »Gedichtete« solle ein Kommentar zu dem Bild des toten Paares sein. Er hatte den Text auf der Rückseite um ein mißlungenes Porträt meiner Freundin herumschreiben müssen, seine Schrift ringelt und kringelt sich bis in ihr Ohr hinein. Das Porträt, hatte meine Freundin befunden, sehe Molière ähnlich, aber nicht ihr, und da ich selbst auch unzufrieden war, war es unvollendet geblieben. Damals bemalte ich Regalbretter noch beidseitig.

 
    An die Premiere von Prinz von Homburg und Der zerbrochene Krug habe ich keine Erinnerung, wahrscheinlich war ich gar nicht dabei, sondern hatte gerade an diesem

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