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Bilder von A.

Titel: Bilder von A. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Abend den Notdienst geholt, weil ich es vor Schmerzen nicht mehr aushielt. Bin zu der Nachbarin unter mir, die ein Telefon hatte, getaumelt und habe dann Stunden gewartet, bis der Rettungswagen kam und mich in ein Krankenhaus brachte.
    Weil sich die Schmerzen im Unterleib konzentrierten, war ich schon in der Poliklinik von einem Frauenarzt behandelt worden, und er hatte mich noch einmal und noch einmal bestellt und jedes Mal irgendwelche dummen Bemerkungen gemacht, noch so jung und schon so viel Ärger mit dem Unterleib, wenn das schon so anfange, da könnte ich bestimmt nie Kinder kriegen. Dann aber hatte er plötzlich gesagt, Sie sind schwanger, junge Frau!
    An dem Tag hatte mich A. gerade vor allen Leuten im Theater angebrüllt, wohl aus Gründen der Spannungserhaltung beim Inszenieren, wonach eben jeder mal dran ist, Brüllopfer zu sein. Ich war davongelaufen, beleidigt,verletzt, wütend, hab’ die Tür geknallt, geheult. Und natürlich habe ich A. dann nichts von dem »Sie sind schwanger, junge Frau!« gesagt. Wie denn. Ich wußte nicht einmal, ob ich es ihm überhaupt sagen sollte, wenn er sich wieder beruhigt hätte, vielleicht nach der Premiere, und was sollte ich sagen, und was dann überhaupt weiter? Und der Frauenarzt hatte ja auch gesagt, wenn es schon mit so viel Schmerzen anfängt, das ist nicht normal, dann liegt irgend etwas völlig schief, junge Frau!
    Und sollte, wollte ich oder sollten, wollten gar wir, A. und ich, etwa ein Kind zusammen kriegen? A. war 15 Jahre älter, er hatte diese Frau, deren Namen ich vergessen habe, und sie hatten Kinder, was ich ja alles hingenommen und »verstanden« hatte, denn ich liebte ihn ja, und Liebe war für uns, wenn es weh tut, das war in unserer romantischen S f äre schließlich der Beweis ihrer Existenz. A. hatte auch noch andere Kinder, mit anderen Frauen, ich habe es nie ganz überblickt.
    Und ans Kinderkriegen hatte ich überhaupt noch nie gedacht, und schon gar nicht von einem, den ich zwar liebte, der aber niemals über Nacht blieb, bloß weil er die Frage »Willst du Käse oder Marmelade« nicht über sich bringen konnte, der mich immer warten ließ und mir so oft sagte, laß mich bitte allein, und der mich außerdem noch vor dem ganzen Theaterensemble angebrüllt hatte. Dessen Vater als Wehrmachtssoldat an der Ostfront gefallen war und der darüber nie sprach und tat, als interessiere er sich nicht dafür. Wo wir herkommen, wer wir sind. Er. Ich. Als wären wir vater-, ja namenlos. Dabeiwar doch klar, daß unsere Väter damals Feinde gewesen oder geworden waren und daß wir keine Sprache fanden und uns schämten, darüber zu sprechen. Sogar mein Vater sprach ja nicht darüber, sondern aß friedlich mit A. »Nasi Goreng« im Ganymed , trank Unstrut-Wein und fragte nach nichts.
    Nein, ich wollte kein Kind von einem Deutschen. Das wußte ich schon, bevor ich je darüber nachgedacht hatte. Trotz stärker, größer, schöner, leidenschaftlicher, dunkler . Auch nicht, wenn er wie ein amerikanischer Baseballspieler aussah. Ich hätte das natürlich nie jemandem sagen können, denn es war böse, rassistisch, widerlich, aber es war auch kein Denken, es war viel stärker als Denken. Die Saat meiner Mutter ging auf.
    Ich hätte mich zu einer Abtreibung entschließen können oder auch nicht, wenn wir das Problem besprochen hätten, aber wir hatten noch gar nichts besprochen, und ausnahmsweise löste sich das Problem von allein. Es mußte nichts mehr entschieden werden: Schmerzen im Bauch und noch mehr Schmerzen im Bauch und immer mehr Schmerzen im Bauch, und dann der Frauenarzt: »Das ist eine extrauterine Schwangerschaft, zu deutsch, eine Bauchhöhlenschwangerschaft, junge Frau, die muß ausgekratzt werden.« Ja, »auskratzen« nennen die das. Jetzt mußte es auch noch schnell gehen. Auf der Bahre Schlange liegen vor dem OP-Saal, Narkose, Operation, den Embryo ausgekratzt und fertig!
    Als A. mich im Krankenhaus besuchte, ließ ich ihn im unklaren über das, was eigentlich geschehen war, unterschlugihm die Schwangerschaft und ließ ihm gar keine Chance, eine Meinung dazu zu haben. Der Platz zwischen den sechzehn Betten, die den Krankensaal füllten, war so eng, daß man kaum einen Stuhl dazwischen klemmen konnte, um in Ruhe miteinander zu reden, und man hörte während der ganzen Besuchszeit das Gerede von 16 Frauen und ihren Besuchern zugleich. Von 15.30 bis 17 Uhr neben allen Betten Männer oder Mütter. Kinder hatten keinen Zutritt.
    Um das Bett neben meinem

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