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Bilder von dir: Roman (German Edition)

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Titel: Bilder von dir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Racculia
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Geschichtsgruppe , was sie aber nicht tat, und Oneida wusste, dass die Ursache dafür in ihrer Unterredung auf dem Requisitenboden zu suchen war, so wie eine gezupfte Saite Klangwellen nach allen Seiten ausstrahlt. Auf dem Requisitenboden hatte sie einen jener schmerzhaften klaren Momente gehabt, von denen Oneida vor Eugene, vor Arthur, vor Amy Henderson geglaubt hatte, es gäbe sie nur in Filmen oder in Büchern, wenn den Figuren nichts anderes übrig blieb als die Umstände zu akzeptieren, die sich ihrer Kontrolle entzogen und von denen sie nicht einmal Kenntnis hatten. Die Erde drehte sich tatsächlich langsamer bis zu dem Punkt, wo ihr Kopf nur noch ein Fischglas mit dem darin herumschwappenden Gehirn war; sie bekam alles mit, vom Etikett ihres T-Shirts, das im Nacken kitzelte, bis zu dem auf dem Boden verteilten Modeschmuck, der ihre Füße wie Plastikseetang in Rosa, Grün und Violett umrundete. Und als Dani Drake sagte ich auch nicht , hörte Oneida die Antwort auf eine Frage, die sie sich gar nicht zu stellen getraut hatte: Sie hassten einander, weil sie praktisch dieselbe Person waren.
    »Was machst du schon so früh zu Hause?« Eine männliche Stimme kam um die Ecke auf sie zugeschwebt. Oneida reckte ihren Hals, konnte aber hinter der Diele nur einen Bogen aus Ziegelsteinen erkennen, der in die Küche führte, und zu ihrer Rechten ein Wohnzimmer, so sauber und so steril, dass man auf dem Couchtisch eine Operation am offenen Herzen hätte durchführen können.
    »Wir sind eher abgehauen. Wir sind Missetäter.«
    »Sag das bloß nicht deiner Mom«, kam es als Antwort. »Und mach es ja nicht wieder.«
    »Okay« Sie wandte sich an Oneida. »Rache macht mich hungrig. Einen Snack?«
    Die Rache, von der Dani sprach, die Rache gegen Andrew Lu, weckte in Oneida viele Gefühle, aber kein Hungergefühl. Auf dem Requisitenboden hatte sie es eine perfekte Tat gefunden, die Ausführung so erregend wie schlicht, weil sie nichts weiter als eine Befreiung vom Unterricht und einen Sharpie-Marker erforderte. Dani hatte beides davon in mehrfacher Ausfertigung in ihrem Rucksack. Oneida nahm den oberen Flur, Dani den unteren, und in weniger als zwanzig Minuten war jede einzelne Toilette in schwach duftender, glänzend schwarzer Tinte mit demselben Schimpfwort versehen: ANDREW IST EIN LU-SER . Ihre Nase kribbelte noch von den Sharpie-Ausdünstungen. Und ihr Magen war aufgewühlt, aber mehr vor Aufregung als vor Gewissensbissen. Gern hätte sie Andrew Lus Gesicht gesehen, wenn ihm aufging, was sie getan hatten.
    Und sie wünschte sich, Eugenes Gesicht sehen zu können, wenn er erfuhr, was sie getan hatten.
    Sie griff nach dem Erdnussbutter-Schokochips-Müsliriegel, den Dani ihr mit einer Hand zuwarf, stellte dann aber fest, dass ihr nicht nach Essen zumute war.
    »Hey, was ist los?« Dani schloss die Tür zur Speisekammer. Die Küche strotzte vor Edelstahlgeräten und sah so makellos, so jungfräulich aus wie das Wohnzimmer. Einen Moment lang war Oneida durch Monas Stimme in ihrem Kopf abgelenkt: Eine Küche, die nur aus Edelstahl besteht, erinnert mich zu sehr an ein Leichenschauhaus . Und ihre eigene, die darauf antwortete: Aber was ist eine Küche denn sonst? Ein Ort, wo Lebensmittel hingehen, wenn sie sterben? Nein, Lebensmittel kommen nach Walhall. Mona, die ihr ein Kissen an den Kopf warf. Mit der sie auf der Couch saß, Fernsehen schaute, die ihre Freundin war. Auch bekannt als mein Bauch .
    »Im Ernst.« Dani legte ihren Müsliriegel mit geöffneter Verpackung ab, hatte aber selbst noch nicht abgebissen. »Bist du okay? Du siehst aus, als würdest du, uh – oh, Mist, nicht weinen.«
    Weinte sie? Oneida versuchte einzuatmen, bekam aber keine Luft. Sie hatte Schluckauf.
    »Komm mit, lass uns in mein Zimmer … es ist gleich da hinten im Flur. Da kannst du weinen, mein Dad wird uns nicht stören, du kannst weinen, so viel du willst.«
    Dani bedeutete ihr, ihr den Flur hinunter zu folgen, und Oneida, die noch immer nach Luft rang, weil die kurzen Atemstöße, die ihre Brust füllten, nirgendwohin führten, kam hinter ihr her. Dani öffnete eine Tür, die mit einem Che-Guevara-Poster beklebt war, und noch ehe Oneida die Schwelle überschritten hatte, schluchzte sie schon, ihre Kehle und ihre Brust hoben und senkten sich ruckartig, während ihre Lungen Mühe hatten, sich zu füllen und zu leeren, zu füllen und zu leeren, und der Rest ihres hysterisch darauf reagierenden Körpers tat das Einzige, worauf sich die bekriegenden

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