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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justinus Kerner
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brauchten die Feinde, um die Harmonie, die unter der Garnison herrschte, zu stören, eine Kriegslist, die mir augenblicklich von den wichtigsten Folgen zu sein schien; es langte nämlich gegen 6 Uhr ein ganzes Heer Sansculottes, unter dem Vorwand, die Garnison zu verstärken, an, und das war sogleich das Signal einer gänzlichen Konfusion. Die Unentschlossenheit Ludwigs, die überhandnehmende Gefahr und seine endliche Entfernung in die Nationalversammlung, brachte dieselbe auf den höchsten Grad. Die Kommandanten verloren den Kopf, man gab keine Befehle, machte keine Anordnungen mehr, und der gemeine Soldat war auf diese Art ganz sich selbst überlassen. Die Menge der Chevaliers und die Hof-Kamarille, die die Nacht über in das Schloß kam, um vermutlich von den Fenstern aus zu schießen, hatten ebenfalls viel zum unglücklichen Ausgang dieses Tages beigetragen. – Am 21. September drohte mir ein heftiger Patriot meiner Sektion, in der ich als Royalist verschrieen war, und da es in diesen Tagen der Anarchie genug war, von einem Menschen bedroht zu sein, so machte ich mich in eine andere Gegend der Stadt, blieb etwa 4 Tage bei einem guten Freunde, und kaum waren die Barrieren wieder geöffnet, so begab ich mich aufs Land, wo ich einen Monat blieb.
    In meiner Sektion gebot mir die Klugheit, noch nicht wieder zu erscheinen, da sie ohnehin eine der tollsten von Paris ist. Ungeachtet aller dieser Mißgeschicke und Verfolgungen wollte ich gern mein Leben geben, wenn nur das Massaker vom 2. September nicht stattgehabt und man sich am 10. August minder kannibalisch betragen hätte. Du fragst mich, wie es mit meiner Wissenschaft geht? Ich werde vermutlich nächstens die hiesige schwedische Infirmerie übernehmen; zwar trägt sie nur 400 Livres jährlich ein, allein ich habe hier Gelegenheit, meine Wissenschaft auszuüben, und dadurch vielleicht nach und nach eine kleine Praxis zu erlangen, im Falle ich hier bleibe, denn ein reizendes Anerbieten, das mir wiederholtemalen gemacht wurde, könnte mich wohl 150 Stunden weiter von Dir entfernen. Du wirst Dich aus den öffentlichen Blättern erinnern, daß an dem Tage, da man Lafayettes Sache in der National-Versammlung diskutierte und man das vorgeschlagene Anklage-Dekret verwarf, mehrere Deputierte nach geendigter Sitzung von dem Pöbel verfolgt wurden. Ungefähr sechzig Nationalgarden hatten sich das Wort gegeben, in den Volksbühnen an diesem Tage zu erscheinen, und durch die tiefste Ruhe das anwesende Volk zur Nachahmung zu bewegen; sechs kamen, und um nicht ohne von allen Seiten begafft zu werden, saßen wir mitten in einer der Volksbühnen. Die Sitzung war geendigt, kaum war ich unten auf der Straße, so sah ich einen der Deputierten von einigen wütenden Weibern und Kerls verfolgt – man warf ihm vor, für Lafayette gestimmt zu haben. Er ging unbekümmert seinen Gang fort, der mit jedem Augenblick gefährlicher wurde. Ich sah nicht so bald seine Gefahr, als ich mich ganz nahe hinter ihn machte und ihm zuflüsterte: Soyez tranquil, s'il le faut, je perirai en vous defendant; ich nahm auch meinen Säbel unter den Arm. Der zuströmende Haufen wurde jetzt immer größer, denn die Kerls riefen: un voleur! und wir konnten nicht weiter fort. Zum Glück war der Rücken des Deputierten durch eine Mauer geschützt und ich haranguierte so gut ich konnte das Volk, beschwor es, sich nicht an seinen Gesetzgebern zu vergreifen, unterdessen, da ich so einigermaßen Ruhe herstellte, kamen mehrere Nationalgarden, wir nahmen den Deputierten hierauf in unsere Mitte, fielen in die Hände von Marseillner, flüchteten glücklich in ein Wachthaus und wurden hier belagert; fünf Deputierte hatten sich schon früher dahin geflüchtet, unter andern Dumontard, dessen Stellung hinter einem Tisch, auf welchem eine Trommel stand, die seinen Kopf dem Auge verbarg, ich niemals vergessen werde. Die Belagerung wurde mit jeder Minute ernstlicher, die Wache war auf dem Punkt forciert zu werden – ich stand mit bloßem Säbel unter der Tür – als ich plötzlich niemand mehr in der Stube gewahr wurde; alle hatten durch ein hinteres Fenster salus in fuga gesucht.
    Jetzt lag mir nichts mehr an den Stürmern, sie konnten jetzt wohl eindringen, ich eilte durch die nämliche Öffnung den Deputierten nach, von denen Dumontard noch einmal in Feindes Gewalt geriet, woraus ich ihn wieder befreien half. Der erste Deputierte heißt
Fourrier,
aus dem Departement hautes Pyrenées, wir sind jetzt die besten Freunde, und

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