Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit
welchem Schlachtfelde bleichen wohl seine Gebeine?
Mein Vater zeigte sich zwar gegen jeden einzelnen Franzosen immer ernst, aber gefällig, nie mißlaunisch, gehässig; ihre Lebendigkeit gefiel ihm, aber die Nation und ihr politisches Treiben war ihm ein Greuel, wie der Aufenthalt seines Sohnes Georg unter ihnen. Ich besitze noch das Fragment eines Briefes, den er in dieser Zeit an ihn nach Paris schrieb, in dem es heißt: »Die Franzosen sind nun aus hiesiger Gegend entfernt. Heute die ganze Nacht durch hat es ihnen gegolten, man hörte hier den Kanonendonner. Die Neckarschanze bei Mannheim ist schon in den Händen der Deutschen.
Clerfait
ist bei Oppenheim über den Rhein und schon bis Alzey vorgedrungen, wobei die Franzosen ein Merkliches einbüßten.
Überhaupt: Friede! Friede ist das Beste! Die französische Republik ist gar zu sehr auf Blut gebaut, und dieser Fluß von Blut wird noch so stark, daß all die Freiheit in ihm ertrinkt. Es wird am Ende euch all dies selbst wie ein böser Traum werden, den ihr träumtet. Mein Sohn! bewahre doch in diesem Lande der Chimären Dein deutsches Blut!«
In einem andern väterlichen Schreiben an ihn heißt es: »Deine Vaterstadt Ludwigsburg kann nicht von der gepriesenen Tapferkeit Deiner französischen Freunde zeugen, wohl aber von deutscher. Eine Handvoll sächsischer Jäger und leichter Reiter überfielen die Franzosen in Ludwigsburg (1796), der französische General
Frimont
versteckte sich in unseren ehemaligen Schweinstall (in der Oberamtei). Ein sächsischer Schütze nahm in der Kanne einen ganzen Tisch voll Franzosen gefangen, indem er die Büchse am Backen in das Zimmer trat und ihnen zurief: Ihr seid alle Prisoniers! In der Rose erwischte ein Dragoner einen Kriegskommissär mit einer Kasse von 30000 Franks.« –
Die entgegengesetzte Richtung seines Sohnes
Karl
gereichte auf der andern Seite aber zu jener Zeit meinem Vater zu großer Freude. Dieser setzte in der herzoglichen Artillerie, in der er als Unterleutnant stand, seine militärische Ausbildung tätig fort. Als die französischen Truppen am 24. Junius 1796 über den Rhein zogen, marschierte er zum erstenmal gegen den Feind. Die auf den befestigten Punkten des Kniebis und zu Freudenstadt verteilten Geschütze gerieten, da sie keine eigene Bespannung hatten, in große Gefahr genommen zu werden. General St.
Cyr
nahm am 2. Julius die Schanze auf dem Kniebis, worauf ein eiliger Rückzug der Reichstruppen erfolgte. Den mutvoll getroffenen raschen und zweckmäßigen Veranstaltungen des jungen Leutnants war es zu verdanken, daß jene Geschütze samt Munitionswagen dem Vaterlande gerettet wurden.
Mein Erkranken
Mein Vater war im Begriffe, mich in eine größere Stadt zur Erziehung zu geben, da er mich nach Knittlingen nicht wieder zurück zu bringen wünschte: denn der wundersame Präzeptor
Braun
daselbst vertiefte sich immer mehr in die Erklärung der Offenbarung Johannis, wodurch dessen psychischer Zustand meinem Vater immer verdächtiger wurde, als eine Krankheit meinen Körper befiel, die mit großer Hartnäckigkeit, fast ein Jahr andauerte. Mein Wachstum ging äußerst schnell vor sich, und wahrscheinlich als Entwicklungskrankheit trat eine außerordentliche Reizbarkeit der Nerven meines Magens ein, so, daß ich alles, was ich aß und trank, oft sogleich, oft nach einer Stunde wieder erbrechen mußte. Es wurden viele Ärzte gebraucht, deren Kunst an diesem hartnäckigen Übel scheiterte. Es ist mir noch unbegreiflich, daß ich nicht den oft ganz unsinnigen Mitteln dieser Heilkünstler erlag, und vielleicht geschah es nur daher, daß ihre Mixturen, Pulver, Latwergen und Pillen von meinem Magen ohne allen Respekt sogleich wieder weggeworfen wurden, und sie nicht durch längeres Verweilen in ihm ihre Wunder verrichten konnten.
Einer dieser Äskulape machte die Verordnung, man solle mich, so lange es nur möglich sei, gar nichts mehr von Speise durch den Mund nehmen lassen, sondern mir täglich nur Gerstenschleim durch ein Klisma, statt der Speise beibringen.
Es waren lamentable Tage dieses Versuches, in welchen ich, wenn sich die andern zu Tische setzten, zur Entschädigung und um das Essen zu vergessen mit dem Matthias auf einen Spazierritt geschickt wurde. Die Marter war um so größer, da ich beständigen Hunger hatte, so daß ich im Reiten oft heimlich Laub von den Bäumen streifte und aß. Ich weiß nicht wie viele Tage lang man diese Kur an mir versuchte, aber ich wurde dadurch natürlich fast
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