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Bildnis eines Mädchens

Titel: Bildnis eines Mädchens
Autoren: Dörthe Binkert
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Wäsche wird doch kalt, und dann habt ihr beim Auswaschen das Nachsehen!«
    Sie wandte sich wieder Nika zu. »Es ist angenehmer, wenn die Wäsche nicht ganz kalt geworden ist in der Lauge, weil sie dann
     auf dem Waschbrett ausgerieben und ausgewrungen werden muss. Was nach wie vor an Flecken da ist, seift ihr noch mal extra
     ein. So«, Giuseppina führte die Neue weiter, »hier ist der Waschofen, darauf die Dampfkessel. In denen, aber das weißt du,
     wird die Weißwäsche in einer neuen Lauge aus Kernseife und Soda mindestens eine Stunde gekocht. Siehst du, Giovanna, Ursina
     und Selma nehmen die gekochte Wäsche gerade mit den Holzzangen raus. Sie wird ausgewaschen, ausgewrungen und kommt dann wieder
     in den ausgeleerten Einweichkessel zurück. Und das«, sie deutete auf eine ältere Frau, »ist Maria. Sie bereitet die schwache
     Seifenlösung vor, die dann noch einmal darübergegossen wird.Maria, geh sparsam mit dem Borax um. Du brauchst nicht so viel davon!«
    Giuseppinas scharfer Blick sah alles und Nika schluckte. Ob sie auch alles richtig machen würde, obwohl sie die Waschtage
     von klein auf kannte?
    »Das ist es schon. Nach ein paar Stunden Nacheinweichen wird die Wäsche durch kaltes Spülwasser gezogen und später dann durch
     Blauwasser. Weißt du, wie Blauwasser angesetzt wird?«
    Nika schüttelte den Kopf.
    »Also, das schönste Waschblau ist ein gutes, pulverisiertes Ultramarin, sage ich immer. Das füllt man in ein Flanellsäckchen,
     bindet es zu wie einen Kinderschnuller und zieht es durchs Wasser, bis das Wasser eine schöne Färbung hat. Und nach dem Blauwasser
     kann man wringen und zum Trocknen aufhängen, nämlich dort drüben«, sie zeigte mit dem Finger in die Richtung, wo die Trockenleinen
     gespannt waren.
    »Wie gesagt: Das ist es auch schon!« Sie sah Nikas skeptisches Gesicht und setzte gutmütig hinzu: »Das weißt du in ein paar
     Tagen alles so gut wie ich. Ah, eins hab ich noch vergessen. Die Küchenwäsche wird in einem besonderen Gefäß eingeweicht,
     in stärkerer Lauge. Vor dem Kochen muss sie gut ausgewaschen und eingeseift werden. Und, schau hier! Wir haben eine Auswindmaschine.
     Die presst doppelt so viel Wasser aus wie wir mit vereinten Kräften.« Sie schmunzelte. »Die Wäsche trocknet schneller und
     wird geschont.« Sie lachte noch einmal auf. »Wenn du denkst, wie wir an der Wäsche zerren und reißen, wenn wir sie von Hand
     auswringen! Mein Mann sagt immer, Waschfrauen haben Oberarme, vor denen sich ein Mann in Acht nehmen muss, sonst zieht er
     den Kürzeren.«
    Nika blickte sie verwundert an.
    »Schau nicht so, Kleine. Wir prügeln uns nicht daheim. Dazubin ich abends viel zu müde. Starke Arme hin oder her, nach elf Stunden ist man abends geschafft.«
    Giuseppina ließ den Blick schweifen, um zu prüfen, wo sie Nika für den Anfang am besten einsetzte.
    »Ist aber immerhin ein Fortschritt, der Elfstundentag. Mein Fausto will ja auch noch was von mir haben. Hast du einen Schatz?«
     Sie schlug sich kopfschüttelnd mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Dumme Frage! Dann wärst du ja nicht weggegangen von
     da, wo du herkommst. Und antworten tust du ja eh nicht.«
    Mit Giuseppina war gut zu arbeiten, das wusste Nika jetzt schon, nach ein paar Minuten.
    Giuseppina machte ihr ein Zeichen, ihr zu folgen.
    »Samstags arbeiten wir übrigens nur neun Stunden. Hat die Gouvernante dir das gesagt? Man muss aufpassen wie ein Luchs, sagt
     mein Fausto immer.« Nika nickte mehrmals hintereinander.
    »Dann komm, ich glaube bei den Einweichbottichen können sie dich brauchen. Wenn die Saison richtig angelaufen ist und haufenweise
     Tisch- und Küchenwäsche anfällt, erklär ich dir, wie man Wein-, Obst- und Fettflecke wegkriegt. Aber jetzt fang erst mal an,
     alles kannst du nicht aufs Mal behalten, auch wenn du schlau bist.«
     
    Als Nika nach diesem ersten Tag in der Wäscherei das Hotel verließ, war sie stolz. Fünfzehn Franken sollte sie im Monat verdienen,
     zehn, so hatte Andrina vorgeschlagen, würde sie abliefern, fünf behalten. Dafür konnte sie mit der Familie Biancotti essen.
    Als sie müde in den Weg einbog, der vom Hotel ins Dorf führte, kam ihr ein Mann entgegen. Sie erschrak, weil er so geradewegs
     auf sie zukam, als habe er sie gesucht. Aber im gleichen Moment erkannte sie den Mann wieder. Er war esgewesen, der den Kopf aus der Droschke gereckt hatte, an jenem Nachmittag, als sie sich im Wasser des Sees bespiegelt hatte.
     So dunkle Locken. Nika wich
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