Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bildnis eines Mädchens

Titel: Bildnis eines Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dörthe Binkert
Vom Netzwerk:
Herrnim dunklen Anzug zu, der wohl ihr Mann und in ein Gespräch mit einem anderen Herrn vertieft war.
    »Ich komme gleich nach, Robert darling, geht nur voraus!«
    Und schon drehte sie sich wieder James zu und fuhr mit einem strahlenden Lächeln fort: »Und, mein Herr, was hätten Sie mir
     sonst noch anzubieten?«
    James Danby war nicht leicht aus der Fassung zu bringen, aber sie war durchaus eine Herausforderung.
    »Nun, ich könnte Sie, wann immer Sie wollen, zu einem Eis einladen«, meinte er und strich über sein glatt rasiertes Kinn.
    »O nein«, sie lachte, »dafür ist es noch zu kalt. Was noch?« Er sah gebannt zu, wie sie ihre mit Blumenranken bestickten Handschuhe
     zurechtzog, indem sie langsam mit den Fingern der einen Hand zwischen die Finger der anderen fuhr. Ihr Englisch hatte einen
     amerikanischen Akzent, und er fragte sich, ob sie wohl schon je einmal die Augen schamhaft niedergeschlagen hatte.
    Als er nicht sofort antwortete, fuhr sie versöhnlich fort: »Vielleicht fällt Ihnen ja morgen etwas Besseres ein. Jetzt muss
     ich weiter. Mein Mann wartet schon.« Sie zog den kleinen Hutschleier wieder über ihre blauen Augen, raffte den Rock ihres
     weißen Kleides zusammen und gab ihrem Mann, der sich gerade nach ihr umsah und »Kate, wo bleibst du denn?« rief, mit einer
     Geste zu verstehen, dass sie schon fast an seiner Seite war.
    Von James verabschiedete sie sich nicht, aber sie hatte ihn ja auch nicht aufgefordert, sie zu begrüßen.
    ***
    Verärgert legte Segantini den Brief zur Seite, den er nicht lesen konnte. Ein Mensch, der James Danby hieß, hatte ihm etwas
     geschrieben, was weder Bice noch sonst jemand in der Familieverstand, weil es Englisch war. Er selbst sprach nur Italienisch, aber diesen Mangel an Weltläufigkeit musste er selten zur
     Kenntnis nehmen, da die Leute in der Gegend mit dem Italienischen vertraut waren. Der Wein kam aus dem Veltlin herauf, die
     Polenta aus Norditalien, die Bauern aus dem Bergell, und das Rätoromanische war sowieso mit dem Italienischen verwandt. Segantini
     beschloss, den Brief einfach nicht zu beantworten und zur Tagesordnung überzugehen. Doch aus einem unerfindlichen Grund warf
     er ihn auch nicht weg, und jedes Mal, wenn sein Blick darauf fiel, versetzte es ihm einen kleinen Stich. Bis er plötzlich
     mit einem Gefühl der Erleuchtung den Wisch ergriff und damit zum Hotel Kursaal Maloja eilte.
     
    »Signore Segantini, schön Sie zu sehen«, sagte Achille Robustelli und erhob sich von seinem Schreibtisch. »Aber nehmen Sie
     doch Platz. Was kann ich für Sie tun?«
    Segantini setzte sich umständlich und reichte Signore Robustelli den Brief. »Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir diesen
     Brief übersetzen könnten. Ich bin des Englischen nicht mächtig, und es könnte etwas Wichtiges darinstehen, man weiß ja nie   …«
    Achille Robustelli nickte zustimmend und überflog das Schreiben. »Es sind gute Nachrichten«, sagte er dann. »Jemand möchte
     eine Reportage über Sie machen für eine englische Zeitung, und der Herr bittet Sie um ein Treffen.«
    Segantini runzelte die Stirn. »Und meinen Sie, die Sache hat Hand und Fuß, Achille? Ist der Mann vertrauenswürdig?«
    »Aber sicher«, entgegnete Robustelli, »ich denke, Sie können sich bedenkenlos darauf einlassen. Mr.   Danby ist Journalist und möchte auch einige Fotografien machen. Er logiert in der Pension Veraguth in St. Moritz.« Er bemerkte
     Segantinis Zögern und setzte hinzu: »Wenn Sie möchten, kann ich gerne für Sie antworten.«
    Segantini nickte, schien aber noch immer Zweifel zu haben, darum ergänzte Robustelli beiläufig: »Und ich finde sicher jemanden,
     der sich als Dolmetscher für ein Gespräch eignen würde. Dies ist eine Gelegenheit, die Sie nicht ausschlagen sollten.«
    Segantini stimmte nun mit mehr Überzeugung zu, machte aber keine Anstalten zu gehen, nachdem er überlegt und Robustelli mitgeteilt
     hatte, wann ein Treffen möglich war.
    »Sie interessieren sich sicher wie jedes Jahr für die Konzerte, die wir für die Sommersaison planen«, fuhr Achille Robustelli
     deshalb fort. »Ich weiß, wie sehr Sie die Musik schätzen. Aber ich kann Ihnen im Moment noch nichts Genaueres sagen, die Saison
     hat gerade erst begonnen, und die Termine stehen noch nicht fest. Aber ich werde Sie auf dem Laufenden halten.«
    Segantini blieb noch immer sitzen, schien sich aber nun die Worte zurechtgelegt zu haben, die er offensichtlich noch anbringen
     wollte.
    »Hören

Weitere Kostenlose Bücher