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Bildnis eines Mädchens

Titel: Bildnis eines Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dörthe Binkert
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»Antworte deiner
     Tante erst. Bist du verliebt in   …«
    »Adrian?«, fiel ihr Mathilde ins Wort.
    »Ja, in den Adrian«, nickte Betsy. »Er hat dir jedenfalls schon geschrieben, bevor wir überhaupt angekommen sind   … Und hier schon wieder   …« Sie reichte Mathilde das Telegramm. »Während du zwar zu Hause angerufen, aber ganz vergessen hast, deinem Verlobten Bescheid
     zu geben.«
    Betsy ist manchmal wirklich unmöglich, dachte Mathilde, da hatte Mama schon recht, die Indiskretion hasste, wenn sie sie nicht
     selbst beging. Warum hatte ihre Tante nur einen so scharfen Blick! Mathilde fühlte, wie sie unter diesem Blick errötete, als
     ob sie bei etwas Verbotenem ertappt worden wäre.
    »Schon gut, Tilda«, sagte Betsy lächelnd, »ich mache nur Spaß!«
    Übrigens gefiel ihr das Hotel Kursaal Maloja sehr. Es wurde seinem Ruf, sich mit den besten Hotels der Welt messen zu können,
     mehr als gerecht. Und es war gar nicht so schwer gewesen, Franz davon zu überzeugen, dass er seiner Tochter, wenn sie schon
     zur Kur musste, einen möglichst angenehmen Aufenthalt bieten sollte. Er hatte wesentlich mehr für Luxus übrig als seine Frau
     und hätte für sich selbst eine ähnliche Wahl getroffen.
    Betsy ließ zufrieden den Blick über den schwach besetzten Speisesaal schweifen. Der Raum wirkte elegant und luftig, die Deckenstuckaturen,
     die weiß gestrichenen Säulen gaben ihm einen südländischen Anstrich, fast als wären sie an der Côte d’Azur gelandet. Und tatsächlich
     schien die Sonne mit voller Kraft herein, es war ein herrlicher Tag.
    Ganz in der Nähe hatte sich eine kleine Gruppe von Engländern und Amerikanern niedergelassen. In der Runde ging es fröhlich
     zu. Ein schlanker junger Mann mit blondem Haar stach ihr in die Augen. Er fiel aus dem Rahmen, weil er glatt rasiert war und
     dadurch jungenhafter wirkte als die anderen Herren am Tisch mit ihren seriösen Bärten. Gerade neigte er sich der Dame zu seiner
     Rechten zu, einer kleinen, hübschen Blonden, die ihm lebhaft etwas zuflüsterte, worauf er in Betsys und Mathildes Richtung
     schaute. Mathilde fing seinen Blick auf und schlug die Augen nieder.
    »Er ist wirklich hübsch«, sagte Betsy, die es bemerkte und ihrerseits den jungen Mann gelassen musterte. Sie war sich ihrer
     Wirkung durchaus bewusst und kleidete sich trotz der Halbtrauer, die sie noch immer trug, mit einer gewissen Extravaganz.
     Sie liebte große Hüte und edle Stoffe, und gertenschlank wie sie war, musste sie sich nicht besonders anstrengen, um eine
     zierliche Taille zur Schau zu stellen. Aber nichtweniger als auf ihre Wespentaille flogen die Männer auf ihre intensiv blauen Augen, die besonders auffielen, weil sie dunkelhaarig
     war.
    Betsy hatte die Aufmerksamkeit, die sie erregte, immer für selbstverständlich genommen, selbst ein Nachzügler und Nesthäkchen
     wie ihre Nichte Mathilde und von Sorgen weitgehend verschont, wenn man von ihrer Witwenschaft einmal absah. Mathilde hatte
     ihr den weichen und etwas diffusen Schmelz der Jugend voraus und ein vielleicht anschmiegsameres Naturell. Ihre Augen in dem
     von blonden Kringellocken umgebenen Gesicht wirkten eher neugierig als aufregend. Aber, Betsy lächelte bei dem Gedanken, es
     wäre falsch gewesen, ihre Nichte zu unterschätzen. Mathilde wusste ganz genau, was sie wollte. Nicht zuletzt darum mochte
     Betsy sie so gern.
     
    Es war Kate, die James auf die beiden Frauen aufmerksam machte, nachdem sie ihre neue Eroberung in die Runde ihrer Freunde
     eingeführt hatte:
    »Mein lieber James, ich gebe gleich eine Erklärung ab. Es ist mir lieber, Sie schauen sich an fremden Tischen um als unter
     meinen Freundinnen hier. Sie sehen, ich wache schon eifersüchtig über Sie.« Sie legte kurz die Hand auf seinen Arm. »Dabei
     habe ich gar kein Recht auf Sie.« Sie schaute lächelnd zu ihrem Mann hinüber, der am anderen Ende des Tisches saß und einen
     kurzen, prüfenden Blick zu James herüberschickte. »Haben Sie die beiden Damen dort drüben schon bemerkt? Sie sind gestern
     Abend angereist. Ob es wohl Schwestern sind? Die Ältere ist ein bisschen zu jung, um die Mutter der anderen zu sein, und doch
     nicht mehr ganz frisch.« Sie musterte die beiden Frauen gründlich und kam zu dem Schluss, dass die ältere der beiden ihr durchaus
     gewachsen, wenn nicht überlegen sein könnte.
    »Sie bemüht sich ein bisschen zu deutlich, Jugend durchExtravaganz wettzumachen«, sagte sie deshalb. Und während sie James

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