Bille und Zottel 02 - Zwei unzertrennliche Freunde
Stangen aus ihrer Verankerung, eine nach der anderen. Nachdem sie in Reih und Glied vor ihm lagen, kam er fröhlich wiehernd auf Bille zu und verlangte seine Belohnung.
„Denkst du auch, was ich denke?“ fragte Karlchen. „Das muß mal seine große Nummer gewesen sein.“
Bettinas erster Schultag
Jeden zweiten Tag ritt Bille zu Bettina hinüber. Sie brachte ihr die Hausaufgaben mit und besprach mit ihr, was sie in der Schule durchgenommen hatten. Anschließend ließ sie Bettina unter den prüfenden Blicken der redseligen Tante Charlotte auf Zottel reiten. Sie war dazu übergegangen, sie an die Longe zu nehmen, denn Bettina fürchtete sich davor, allein zu reiten. Ein Spaziergang oder ein Tischtennisspiel beendete den Nachmittag, der Bille meistens quälend lang erschien.
Bettina hatte sich nach dem Erlebnis auf der Landstraße wieder ganz in ihr Schneckenhaus zurückgezogen. Sie verhielt sich völlig passiv, und es war nicht festzustellen, wieviel sie von dem, was man ihr sagte, in sich aufnahm. Sie war und blieb eine blasse, leblose Puppe, die kaum „ja“ und „nein“ sagte.
Trotzdem wollte Bille nicht aufgeben. Sie tat, als bemerke sie Bettinas Teilnahmslosigkeit überhaupt nicht. Was immer ihr Lustiges begegnete, erzählte sie ihr, und wenn es ihr nicht lustig genug schien, dann erfand sie noch etwas dazu. Bis in alle Einzelheiten beschrieb sie, was in Groß- Willmsdorf geschah, erzählte von ihrer Arbeit im Pferdestall, von den Stuten mit ihren Fohlen, die nun schon so groß geworden waren, von Herrn Tiedjens Turnierpferden und von Troja, du ihr mit jedem Tag mehr ans Herz wuchs. Und schließlich verriet sie ihr sogar ihren Plan, Geld zu verdienen, um eines Tages Zottel kaufen zu können.
Mit den drei Brüdern freundete sich Bille immer mehr an Überhaupt schien ihr das Peershofer Haus nicht mehr halb so vornehm und erdrückend wie zu Anfang. Längst konnte sie ohne Herzklopfen durch die steifen, feierlichen Räume gehen und mit der Familie Henrich am Tisch sitzen. Nur wohnen wollte sie niemals in solch einem Prachtbau!
Einmal war sie auf der Suche nach Bettina Herrn Henrich in der Bibliothek begegnet. Sie hatte sich für die Störung entschuldigen und gleich wieder gehen wollen, aber Herr Henrich hatte sie zurückgehalten.
„Wie kommst du mit Bettina zurecht.“ hatte er sie gefragt. „Hast du das Gefühl, daß sie sich allmählich ein wenig einlebt?“
„Wenn ich ehrlich sein soll — nein“, hatte sie geantwortet. „Ich glaube, es gibt nichts, was sie wirklich freut. Und dabei gebe ich mir so große Mühe mit ihr...“
„Das weiß ich. Das wissen wir alle hier", hatte Herr Henrich herzlich gesagt. „Wenn ich bloß wüßte, wie ich dem Kind helfen kann!“
„Vielleicht müßte sie etwas haben, was sie wirklich liebhat. etwas, das ihr ganz allein gehört“, hatte Bille zaghaft vorgeschlagen.
„Was könnte das sein? Ein Tier? Oder irgendein Gegenstand? Vielleicht ein Instrument? Wenn dir etwas einfällt, sag es mir bitte, ich werde es sofort besorgen."
„Ich weiß nicht“, hatte Bille mutlos gesagt, „es war nur so eine Idee. Außerdem...“
„...außerdem was?“
„Ich glaube, es hätte keinen Sinn, wenn Sie es ihr kaufen würden. Sie wäre sofort dagegen — sie ist gegen alle, die ihr helfen wollen. Ich weiß nicht, ob ich das richtig erklären kann — ich glaube, es müßte etwas sein, das sie ganz allein findet.“
„Ich verstehe, was du meinst. Ich werde darüber nachdenken.“
Als Bille heute die Stuten zum Eingang hinaufsprang, prallte sie in der Tür mit Florian zusammen.
„Komm schnell! Wir haben einen Gast!“
Er nahm Bille bei der Hand und rannte mit ihr zum Pferdestall hinüber.
„Quartiert ihr eure Gäste immer im Stall ein?“ fragte Bille. Florian legte geheimnisvoll den Finger an den Mund und öffnete die Tür einer Box, die sonst leergestanden hatte.
„Ist die nicht süß?“ fragte er mit leuchtenden Augen.
„Süß ist gar kein Ausdruck. Man möchte sie knuddeln wie ein Plüschtier! Ist es eine Haflingerstute?“
„Ja“
„Aber wieso sagtest du Gast?“
„Sie ist nur vorübergehend hier — keine Ahnung, warum.“
Bille war an die kräftige kleine Stute herangetreten und streichelte ihre lange hellblonde Mähne.
„Ihr Fell leuchtet wie Kupfer! Und was für einen hübschen Stern sie hat!“
„Hm. Daher auch ihr Name — sie heißt Sternchen.“
„Das paßt zu ihr. Sie hat die hübschesten Augen, die ich je bei einem Pferd gesehen
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