Bille und Zottel 02 - Zwei unzertrennliche Freunde
kommen.
„Blödmann, wer hat dir gesagt, daß du außen rumrennen sollst!“ schimpfte sie atemlos. „Also, noch mal das Ganze!“
Diesmal versuchte sie es von der anderen Seite. Sie konzentrierte sich ganz darauf, Zottel kein Ausweichen zu erlauben. Er versuchte es auch gar nicht, er spielte das Spiel mit, raste auf die Stangen zu, schnaufte das ärgerliche Hindernis einmal wütend an, drehte sich blitzschnell um die eigene Achse und keilte so kräftig aus, daß die Stangen nach allen Richtungen auseinanderspritzten. Dann drehte er sich gemächlich wieder um und schritt langsam über die besiegten Stangen hinweg, während Bille von seinem Hals zurück in den Sattel rutschte.
Hinter den Büschen, die die Bahn zum Hof hin begrenzten, hörte sie Kichern.
„Hau ab, Karlchen, ich kann keine Zuschauer brauchen!“ rief Bille erbost.
„Ich weiß gar nicht, was du willst!“ Karlchens Kopf tauchte hinter den Büschen auf. „Ist doch ein kluges Kerlchen, er weiß sich wenigstens zu helfen.“
„Na los, dann komm schon her und leg die Stangen wieder drauf. Wenn du unbedingt zugucken mußt, kannst du mir ja auch helfen.“
Karlchen gehorchte, und Bille ließ Zottel ein paarmal um die Bahn traben. Dann riskierte sie einen neuen Versuch. Zottel galoppierte willig auf die Hürde zu, da seine Herrin offensichtlich großes Interesse an diesem merkwürdigen Gebilde zeigte. Kurz vor den Stangen lud er sie gehorsam dort ab. Das heißt, er stoppte scharf und ließ sie hinübersausen.
„Nanu — du kommst allein?“ fragte Karlchen mit Unschuldsmiene.
Zottel war um die Hürde herumstolziert, um Bille auf der anderen Seite in Empfang zu nehmen. Die hockte sprachlos im Sand, rieb sich abwechselnd Schulter und Po und rappelte sich nur langsam und unter heftigem Kopfschütteln wieder auf. Karlchen klopfte ihr freundschaftlich den Sand von den Hosen.
Schließlich nahm Bille Zottel verbissen am Zügel und führte ihn dicht an das Hindernis heran. „Was hast du gegen das Springen, kannst du mir das verraten?“
„Versuchen wir’s doch mal aus dem Stand“, schlug Karlchen vor. „Ich stelle mich hinter die Stangen und halte ihm ein Stück Zucker hin. Und du treibst ihn an.“
„Okay, versuchen wir’s“, seufzte Bille.
Sie stellte sich mit Zottel knapp vor das Hindernis, und Karlchen lockte ihn mit Tönen, die an eine schmachtende Operettendiva erinnerten.
„Komm, mein Süßer , feines leckeres Zuckerchen, nun komm schon, Schätzchen, nur ein kleiner Sprung zum lieben Karlchen, dann gibt’s was Feines...“
Bille konnte sich vor Lachen kaum auf den Sprung konzentrieren. Das war auch nicht nötig, denn Zottel hatte keineswegs die Absicht zu springen. Er streckte seinen Hals immer länger aus, und als das nicht reichte, stieg er mit Storchenbeinen über die hinderlichen Stangen hinweg.
„Na bitte, er ist drüben!“ sagte Karlchen stolz.
„Ja, aber nicht gesprungen!“
„Na, wenn schon — das Wichtigste ist doch, daß er pyscho ... pfyso ...“
„Psychologisch…“
„Ja, genau das, also, daß er gemerkt hat, daß es gar nicht schlimm ist.“
„Na schön, versuchen wir’s noch mal. Ich reite im Trab ran und treibe ihn erst ganz zum Schluß an.“
Diesmal schlug Zottel wieder ungeachtet der Zurufe und des heftigen Schenkeldrucks von Bille einen Haken um das Hindernis herum und nahm dem verblüfften Karlchen den Zucker im Vorübertraben aus der Hand.
„Ich glaub, mich küßt ein Nilpferd! Hast du so was schon gesehen?“
„Du bist stur wie ein Esel!“ schimpfte Bille auf ihren Liebling ein. „Ist das denn wirklich so schwer?“
„Vielleicht mußt du’s ihm einfach mal vormachen?“ sagte Karlchen naiv. „Ich halte ihn so, daß er genau sehen kann, was du machst, du markierst einen Galopp und springst dann über das Hindernis!“
„Und sonst fällt dir nichts ein? Mach’s doch selber!“
Bille stieg seufzend ab und führte Zottel noch einmal an die bunten Stangen heran. Sie faßte die Zügel am äußersten Ende und stellte sich an der anderen Seite der Hürde auf.
„Er wird dir auf die Zehen treten!“ mahnte Karlchen.
„Ach was, ich spring dann schon zur Seite. Nun komm, Junge, stell dich nicht so an. Hopp! Nun spring schon.“
Zottel schüttelte doch tatsächlich den Kopf!
„Sei nicht albern! Du kannst es, ich weiß es bestimmt! Nur einmal — na komm!“ bettelte Bille.
Zottel sah seine Herrin mitleidig an. Er streckte das rechte Vorderbein aus, bog es ein wenig und hob damit die
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