Bille und Zottel 04 - Applaus fuer Bille und Zottel
Haus...“, meinte Bille nachdenklich.
„Er hätte ja wieder heiraten können. Aber er wollte wohl nicht — wo er doch immer auf Reisen ist“, sagte Mutsch. „Und jetzt hat er dich — als so ’ne Art Adoptivtochter, stimmt’s?“
„Stört dich der Gedanke?“
Mutsch überlegte.
„Nein. Ich gebe zu, am Anfang“, Mutsch lächelte ein wenig verlegen, „da hab ich manchmal eine Wut gehabt auf ihn. Weil du nur von ihm geschwärmt hast und ich für dich oft gar nicht mehr vorhanden war. Herr Tiedjen und die Pferde, was anderes ging in deinen Kopf nicht mehr rein. Aber damals war auch Onkel Paul noch nicht...“
„... mit uns verheiratet“, warf Bille ein.
„Ja, und ich war ziemlich allein. Der Laden, die Arbeit, der Haushalt, das war alles, und...“
„... und nichts fürs Herz!“ Onkel Paul legte den Arm um Mutsch und drückte sie an sich.
„Aber schließlich habe ich mir gesagt“, fuhr Mutsch fort, „wenn das Mädchen wirklich so begabt fürs Reiten ist, einen besseren Lehrer und Förderer kann sie ja gar nicht finden, das ist doch ein reiner Glücksfall! Schon daß du seine Pferde reiten darfst! Und Vati wäre sicher auch sehr zufrieden damit.“
„Das ist gut. Dann kann ich also beruhigt weiter Herrn Tiedjens Adoptivtochter spielen. Er wird schon sehen, was er davon hat, wenn er mit mir französische Grammatik pauken muß.“ Bille hatte das Groß-Willmsdorfer Gutshaus bisher kaum betreten. Sie kannte nur das Büro, das in einem Seitenflügel untergebracht war, die große Eingangshalle mit der dunklen Täfelung an den Wänden und den großen Salon, von dem aus man auf die Terrasse hinausging. Aber im Erdgeschoß befanden sich noch die Bibliothek, das sogenannte Herrenzimmer und zwei weitere Wohnräume. Sie alle waren mit schweren, kostbaren Möbeln ausgestattet, die noch von Herrn Tiedjens Großeltern stammten. Herr Tiedjen betrat die Räume nur, wenn Besuch kam oder ein Fest gefeiert wurde. Er machte sich wenig daraus, in einem Museum zu leben.
Frau Engelke führte Bille die Treppe ins obere Stockwerk hinauf, und nun sah sie, wie Herr Tiedjen wirklich lebte. Das größte der oberen Zimmer, das einen schönen Balkon zum Park besaß, hatte er sich als Wohnraum nach seinem Geschmack eingerichtet. Der Fußboden war mit einfarbig hellem Teppich ausgelegt, die Möbel aus hellem Holz, an den Wänden hingen moderne Bilder. Der bunte Leinenstoff von Gardinen, Sesseln und Couch bildeten einen heiteren Gegensatz zu den großen hellen Flächen. Überall lagen Bücher und Zeitschriften herum, die wenigsten davon hatten mit Pferden zu tun, wie Bille feststellte.
Herr Tiedjen lag auf einer Couch, auf die ein Bett gelegt worden war.
„Erschrick nicht, das hat mir der Arzt verordnet. Es ist nicht sehr bequem, aber es soll meinem Rücken guttun. Ehrlich gesagt, fühlt man sich darauf wie auf einer Folterbank. Aber wenn Frau Engelke den Kakao bringt, werde ich mich für eine Weile von meiner Folterbank erheben.“
Bille gab Herrn Tiedjen die Hand und setzte sich neben ihn auf einen Stuhl.
„Was haben wir auf?“ fragte er.
„Eine französische Übersetzung, Mathe, Englisch und Geschichte.“
„Fein, wir fangen gleich an. Aber erst nimm bitte mal das große Buch dort vom Tisch und schlage es auf!“
„Was ist das?“
„Was ist das? Das Zuchtbuch. Ich möchte, daß du es dir mal genau anschaust.“
„Oh, da stehen unsere Pferde drin.“
„Unsere Stuten mit ihren Fohlen, ja.“
„Jacaranda, hier: erstes Fohlen Janus — das war vor drei Jahren. Zweites Fohlen Jasmin— drittes Fohlen Jacky-Boy.“
„Unsere Zucht ist bisher eher bescheiden. Wir haben ein paar sehr gute Tiere, aber ich habe mich nie wirklich um den Aufbau einer Zucht gekümmert. Das möchte ich jetzt ändern, ich möchte mehr System in die ganze Sache bringen, verstehst du?“
„Hm.“ Bille nickte eifrig und fuhr fort, die Stammbäume ihrer Lieblinge zu studieren.
„Bis jetzt haben wir keinen eigenen Deckhengst. Du erinnerst dich an Patrick, den ich im vergangenen Jahr zugeritten habe und dann zur weiteren Ausbildung für den Galoppsport in ein Gestüt nach Frankreich geschickt habe?“
„Patrick, den schönen Fuchshengst — wie könnte ich den je vergessen. Ein Märchenpferd!“
„Und er entwickelt sich großartig, läuft wie eine Rakete. Den werden wir eines Tages als Deckhengst nach Groß-Willmsdorf zurückholen. Und dann werden wir, je nachdem, was uns der Verkauf unseres Nachwuchses bringt, noch zwei oder
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