Bille und Zottel 06 - Gefahr auf der Pferdekoppel
doch höchstens an.“
„Sie hat eine Liste von Sachen geschickt, die wir ihr besorgen sollen. In drei Wochen kommt sie mit Thorsten her, dann wollen sie das Haus fertig einrichten. Und anschließend soll dann die Hochzeit sein.“
„Puh, das hört sich nach einem Haufen Extra-Arbeit an. Sie werden am Haus doch sicher alles selber machen . . .“
„Ja, sie nehmen sich Urlaub. Aber Helfer werden sie auf jeden Fall benötigen. Du kannst ja deine Freunde schon mal schonend darauf vorbereiten.“
„Das liebe Ingelein war schlau genug, diese Aktion in die Herbstferien zu verlegen, das sieht ihr ähnlich“, maulte Bille, „aber vielleicht macht Thorsten es durch gute Bezahlung seiner Hilfstruppen wieder wett. Na ja. man soll nicht so engherzig sein. Ich bin dankbar, daß ich einen so netten Schwager bekomme.“
Früher als ihr lieb war, wurde Bille an das abendliche Gespräch über die Lederjackenbande erinnert. Am Freitag - sie hatte gerade Iris gesattelt und wartete auf die Freunde aus Peershof. die zum Unterricht bei Herrn Tiedjen kommen sollten - wurde sie ins Büro gerufen.
„Ein Telefongespräch für dich - beeil dich!“ schrie Karlchen, und Bille fühlte augenblicklich einen Druck von bohrender Angst in der Magengegend.
Frau Beck, die Gutssekretärin, saß hinter ihrem Schreibtisch und nickte ihr ernst und vielsagend zu. Bille nahm den Hörer auf und lauschte verwirrt. Auf der anderen Seite erklang leises Schluchzen.
„Hallo?“ sagte Bille mit einer unnatürlich hohen Stimme.
„Bille? Bist du’s? Hier ist Bettina.“
„Bettina, was ist los? Hast du eben geweint? Was ist passiert? Wo bleibt ihr - es ist doch schon fast fünf. . .“, sprudelte Bille heraus.
„Wir können heute nicht kommen, ich habe eben schon Frau Beck gebeten, es Herrn Tiedjen zu sagen. Es ist etwas Schreckliches passiert . . . Pünktchen . . . Pünktchen ist verunglückt . . . und die anderen . . . die anderen Pferde . . .“ Bettina konnte nicht weitersprechen.
„Bettina?“ Bille schrie fast in den Apparat. „Warte . . . ich komme, ich komme so schnell wie möglich zu euch!“
Bille warf den Hörer auf die Gabel und stürzte zur Tür.
„Weiß Herr Tiedjen Bescheid?“ rief sie, schon halb draußen.
„Er weiß Bescheid. Reite du nur los, ich sage es ihm.“ Frau Beck war aufgestanden und sah ihr nach. „Und paß auf dich auf, Kind! Wenn dir was zustößt, nützt das deinen Freunden auch nichts.“
Frau Beck hatte recht. Sie mußte Ruhe bewahren. Aber das war leichter gesagt als getan. Ihre Finger zitterten so, daß sie kaum in der Lage war. Zottel den Sattel wieder aufzulegen. Hastig unterrichtete sie Hubert, Petersen und Karlchen von dem, was passiert war. Was sie sagen konnte, war wenig genug, sie wußte ja selbst nichts Genaues.
Zottel war höchst erstaunt darüber, daß er - kaum abgesattelt - jetzt wieder für einen Ausritt fertiggemacht wurde. Er hatte sich auf eine friedliche Mahlzeit eingestellt. Und was für ein Ritt! Im gestreckten Galopp ging es nach Peershof hinüber, bis sein Fell von Schweiß klebte und sich Schaumflocken von seinem Maul lösten und durch die Luft segelten.
Erst als sie im Hof angelangt waren, verlangsamte Bille das Tempo. Der Wagen des Tierarztes stand vor dem Stall, aber niemand war zu sehen. Bille klopfte das Herz bis in den Hals hinauf, als sie Zottel an einen Baum band. Aus dem Stall drangen fremde und unheimliche Schmerzenslaute. Das mußte Pünktchen sein. Bille fühlte, wie eine würgende Übelkeit in ihr hochstieg. Sie biß die Zähne aufeinander und betrat leise den Stall.
Dort standen sie alle, wie eine schweigende Trauergemeinde: Herr und Frau Henrich, ihre drei Söhne und Bettina mit bleichen, angespannten Gesichtern. Bettina mußte die Bewegung an der Tür gespürt haben, sie sah sich um und entdeckte Bille. Leise trat sie zu ihr und winkte ihr, mit hinauszukommen.
„Sie wird das Fohlen verlieren“, flüsterte Bettina tonlos, „und es ist fraglich, ob sie am Leben bleibt. Komm, ich helf dir. Zottel trocken zu reiben, der arme Kerl ist ja klitschnaß. Dabei erzähle ich dir alles.“
Mechanisch nahm Bille Zottel den Sattel ab und begann, ihrem Liebling mit einem Strohwisch das dampfende Fell abzurubbeln. Bettina half von der anderen Seite.
„Wir saßen gerade bei den Hausaufgaben“, berichtete Bettina „Die Jungen waren noch nicht fertig, also ging ich vor. um die Pferde von der Koppel zu holen und Sternchen schon mal zu satteln. Ich bog gerade auf die
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