Bille und Zottel 09 - Im Sattel durch den Sommer
Zeitungsannoncen aufgeben für das Reiter-Internat Groß-Willmsdorf. Ich bin gespannt, wie viele Schüler wir für den Anfang bekommen. Vielleicht wird das Ganze ein riesiger Reinfall
„Das glaubst du doch nicht im Ernst, Daddy! Wenn die lesen, daß du den Reitunterricht persönlich überwachst, dann melden sich dreimal so viele, wie wir unterbringen können!“
„Meinst du? Ich fürchte, du bist nicht objektiv. Ach, übrigens, hast du dich zu dem Turnier in Neustadt angemeldet?“
„Am kommenden Wochenende? Habe ich, ja.“
„Das ist gut. Dann richte dich darauf ein, einen Tag früher dort zu sein. Wir haben dort etwas Wichtiges zu tun.“
„Etwas Wichtiges zu tun?“
„Ja. Es wird Zeit, daß wir uns um die künftigen Schulpferde kümmern. Sie müssen ein paar Monate lang gelernt haben, in der Abteilung zu gehen, deshalb möchte ich sie möglichst schon jetzt kaufen.“
„Wir kauten Pferde? Klasse!“ jubelte Bille. „Ich werde mich vor lauter Aufregung gar nicht auf das Turnier konzentrieren können!“
„Nun, zwischen der Reitpferdeprüfung, die wir uns ansehen wollen, und dem L- und M-Springen liegt ein ganzer Tag, bis dahin wirst du dich wohl beruhigt haben“, sagte Herr Tiedjen lächelnd. „Und ich habe mir sagen lassen, du seiest ganz ausgezeichnet im Training.“
„Kein Wunder, wenn man täglich mehrere Stunden auf dem Pferderücken verbringt. Manchmal komme ich mir abends vor wie ein Seemann, der an Land geht. Habe ich eigentlich schon O-Beine, Daddy?“ Bille schaute besorgt an sich herunter.
Herr Tiedjen lachte auf.
„Nein, mein Kleines, bis jetzt noch nicht. Aber da du vermutlich später mal einen Reiter heiratest, wird es deinen Zukünftigen wohl kaum stören.“
„Und unsere Kinder kommen dann schon mit krummen Beinen auf die Welt“, kicherte Bille, „oder mit einem angewachsenen Sattel am Hintern.“
Am Tag der Reitpferdeprüfung wehte ein kühler Wind, und der Himmel hatte sich mit einer grauen Wolkenschicht überzogen. Bille zog sich fröstelnd ihren Parka über die Schultern, als sie auf der Tribüne Platz nahmen.
„Was sind das für Pferde, die wir hier zu sehen bekommen?“ erkundigte sie sich. „Stehen sie alle zum Verkauf?“
„O nein, im Gegenteil. Nur die wenigsten. Aber ich hoffe, den einen oder anderen zu einem Verkauf überreden zu können, wenn uns ein Pferd gefällt“, sagte Herr Tiedjen leise. „Ich möchte unsere Reitschule mit frischem Pferdematerial beginnen, und nicht mit irgendwelchen jahrelang im Schulbetrieb verbrauchten Profis, die auf keine Hilfen mehr reagieren, nur noch auf die Stimme des Lehrers. Dies hier sind vier- und fünfjährige fertig ausgebildete Reitpferde, die auf ihre Rittigkeit, ihr Springvermögen und ihr Material geprüft werden.“
„Weiß ich doch“, tadelte Bille ihn. „Ich wollte ja nur wissen, wo sie herkommen!“
„Von überall her, auch hier aus der Umgebung. Aus Privatbesitz, aus Gestüten, Schulen.“
„Es geht los! Da reitet die erste Gruppe ein!“
Bille reckte den Hals. Ob unter den ersten sechs schon ein Pferd sein würde, dem der Umzug nach Groß-Willmsdorf bevorstand?
„Der Dunkelfuchs gefällt mir gut! Was für einen hübschen Kopf er hat! Der Schimmel wirkt ein bißchen lustlos...“
Noch hatte die Vorführung nicht begonnen, die Richter blätterten in einem Stapel Papiere und unterhielten sich flüsternd. Die Reiter in der Bahn versuchten sich so gut es ging auf die kommenden Minuten vorzubereiten, jeder auf seine Weise. Der junge Mann auf dem dunkel kupferfarbenen Fuchs ritt mehrmals dicht an den Richtertisch heran, mal von der einen, mal von der anderen Seite, um dem Pferd die Angst vor diesen merkwürdigen Gestalten zu nehmen. Andere beschränkten sich darauf, ihr Pferd zusammenzustellen und aufmerksam zu machen.
Bille ließ den hübschen Fuchs nicht aus den Augen. Während der Vorführung in den verschiedenen Dressuraufgaben zeigte es sich, daß er noch nicht daran gewöhnt war, in einer Abteilung zu gehen. Immer wieder mußte sein Reiter ihn daran hindern, einfach an den anderen vorbeizupreschen und sich an die Spitze der Abteilung zu setzen. Aber seine Bewegungen waren anmutig und weitausgreifend, es war eine Wonne, ihm zuzusehen.
„Den sollten wir uns vormerken!“ flüsterte Bille.
„Ich glaube kaum, daß er zu haben ist“, antwortete Herr Tiedjen. „Aber ich werde einmal feststellen, wem er gehört.“ Jetzt ging es ans Springen. Auch da enttäuschte der Fuchs seine Zuschauer
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