Bille und Zottel 16 - Pusztaferien und Ponybriefe
es schmeckt einfach super!“ lobte Bille das duftende Fleischragout. „Und Nockerl heißen bei uns in Deutschland Spätzle, aber die sind nicht halb so gut wie die ungarischen Nockerl!“
Nach einem Kaffee fühlten sie sich gestärkt genug, um die Weiterreise anzutreten.
„Vielleicht sollten wir vorher bei Daddys Freund Sándor anrufen, um ihn auf unser Kommen vorzubereiten. Wer weiß, wie lange wir noch unterwegs sind . . . und dann stehen wir plötzlich im Dunkeln vor verschlossenen Türen!“
„Du hast recht .“ Simon sah Bille unsicher von der Seite an. „Machst du’s?“
„Ich? Und wenn er nun kein Deutsch versteht?“
„Eben.“
„Ach was, versuchen wir’s einfach.“
Bille brachte Simon dazu, die Nummer zu wählen. Zu ihrer Erleichterung sprach Sándor Sisak fast fließend Deutsch und äußerte bereits am Telefon so herzliche Vorfreude auf seine Gäste, daß sie es kaum erwarten konnten, das Ziel ihrer Reise zu erreichen.
„Vielleicht hätten wir doch besser die Autobahn nehmen sollen. Wenigstens ein Stück weit wären wir schneller vorangekommen“, seufzte Simon.
„Aber so haben wir mehr gesehen. Und den Großstadtverkehr von Budapest vermieden“, widersprach Bille.
„Was weißt du eigentlich über Sándor Sisak und seinen Hof?“ Simon trat aufs Gaspedal und überholte einen Trecker, der schon eine Weile vor ihnen hertuckerte. Er zog einen Anhänger, auf dem ein paar Drahtkäfige mit wohlgenährten Junggänsen standen. Mit aufgeregtem Schnattern kommentierten sie Simons rasantes Manöver.
„Ich weiß nicht viel“, berichtete Bille. „Daddy konnte mir kaum mehr erzählen, als daß sie gemeinsame Freunde haben, bei denen sie sich kennenlernten. Leute aus der Pferdezucht. Auch auf Turnieren sind sie sich wohl begegnet, und jedesmal hat Sándor Sisak Daddy eingeladen, nach Ungarn zu kommen. Einmal ist er dann dort gewesen, vor einem Jahr war das. Er begleitete diesen Züchter, der ein paar Stuten in Ungarn kaufen wollte. Aber sie konnten nicht länger als einen Tag bleiben.“
„Hm, lassen wir uns also überraschen.“
Es war längst dunkel, als sie sich dem Anwesen Sándor Sisaks näherten. Über holpriges Kopfsteinpflaster ging es eine schnurgerade Straße entlang durch eine Landschaft, die so verlassen wirkte, als seien sie aus Versehen auf dem Mond gelandet.
„Stop! Da war ein Hinweisschild!“ Bille zeigte nach links hinüber, wo sich gegen einen schwachen Lichtschimmer hohe Bäume abhoben. „Dort muß es sein.“ Simon setzte den Wagen ein paar Meter zurück. Tatsächlich, links von der Straße zeigte ein kleines Holzschild mit einem aufgemalten Pferd in die Richtung des Hofes.
„Nicht besonders autofreundlich, diese Zufahrt. Wird wahrscheinlich so eine richtige Einsiedelei sein, Sándor Sisaks Hof“, stellte Simon fest. „Na, Hauptsache, es sind Pferde da.“
Der Weg schien sich endlos in die Länge zu ziehen. Gerade, als ihnen die ersten Zweifel kamen, ob sie sich nicht doch verfahren hatten, führte er in eine parkähnliche Landschaft: Baumgruppen, Rasenflächen, ein Teich, strohgedeckte Häuschen, die im Scheinwerferlicht schneeweiß aufleuchteten, gepflegte Beete mit Frühlingsblumen davor. Dann die Umrisse von Stallgebäuden hinter einer Mauer, ein großer Torbogen, im fahlen Licht einer Hoflaterne ein mächtiger, alter Ziehbrunnen. Sie folgten weiter dem Weg an der Mauer entlang und kamen durch einen zweiten Torbogen. Ein Rondell, von einer sorgfältig geschnittenen Buchsbaumhecke eingefaßt, lenkte sie in einen Rundkurs bis zu einer Freitreppe. Knirschend rollte der Wagen über den Kies.
Drinnen mußte man das Auto gehört haben, denn wie von Zauberhand flammten an allen Ecken Lichter auf, und vor ihnen lag ein Schloß im spätbarocken Stil, sonnengelb und weiß gestrichen, mit blitzenden Sprossenfenstern, Stuckgirlanden unter den Fenstereinfassungen und einer Reihe mit Schnörkeln und Blumendekor verzierter Laternen.
„Sind wir hier richtig? Das kann es doch unmöglich sein?“ fragte Bille zweifelnd.
Simon zeigte auf ein schmiedeeisernes Schild neben der Treppe. In kunstvoll geschwungenen Buchstaben stand da Hotel Arany Ló .
Noch ehe sie recht begriffen hatten, wo sie gelandet waren, wurde die Haustür aufgerissen, und ein großer, schlanker Herr mit grauer Lockenmähne und einem gewaltigen Schnauzbart, der ihm das Aussehen eines Tatarenfüsten gab, kam mit ausgebreiteten Armen auf sie zu. Sein Deutsch war mit dem unverkennbaren ungarischen Akzent
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