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Billigflieger

Titel: Billigflieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Tamm
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und Nächte
    Am nächsten Morgen liege ich am Strand in der Höhe vom Balneario Nummer fünf und müsste nach medizinischen Maßstäben tot sein. Ich bin eben Pauschaltourist: Übernachtung, Frühstück, Alkoholvergiftung. All inclusive . Mann, geht’s mir gut …
    Na ja, das heißt - so richtig gut geht’s mir gar nicht. Oder sagen, wir: nicht ganz. Was denn jetzt? Gut oder nicht gut? Klingt alles ziemlich bescheuert, oder? Finde ich auch. In Ordnung, dann will ich einfach mal versuchen, die Vorkommnisse des gestrigen Abends der Reihe nach zu erklären.
    Es ist nämlich grundsätzlich so, dass man sich am Morgen nach einer Nacht, wie ich gerade eine hinter mir habe, immer wie ein auf der Straße plattgefahrener Igel fühlt - mehr tot als lebendig. Man wünscht sich eigentlich nur, man HÄTTE ES NICHT GETAN. Ihr wisst schon: man hätte nicht so viel getrunken.
    Das Gehirn scheint aus Stahlwolle zu bestehen, die ununterbrochen an der Schädeldecke entlangkratzt. Die Zunge ist aufgequollen und mit einem Belag überzogen, der wie Pizza Funghi schmeckt. Und der Rest des Körpers ist auch nicht weit von der Leichenstarre entfernt. Also liegt man da und sagt sich, dass die letzten zehn Bier echt überflüssig waren. Hätte man sie doch nicht getrunken!
    Das ist aber in meinem Fall leider nicht alles. Denn mit den Folgen eines ganz normalen El-Arenal-Besäufnisses könnte ich umgehen. Den Zustand kenne ich nämlich schon. Bin schließlich nicht zum ersten Mal hier.
    Nein, ausnahmsweise wünsche ich mir noch aus ganz anderen Gründen, dass ICH ES NICHT GETAN HÄTTE. Ich wünsche mir, wir wären nicht noch einmal losgezogen, hätten uns nicht die Kante gegeben und uns nicht wieder ins Nachtleben auf der Schinkenstraße gestürzt. Sondern wir wären ganz brav bei unserem ursprünglichen Plan geblieben und still und brav ins Hotel zurückgekehrt. WEIL MEIN LEBEN DANN ENTSCHIEDEN UNKOMPLIZIERTER WÄRE.
    Es war so: Nachdem wir gestern Nacht beschlossen hatten, aus dem Qualifying doch noch das richtige Rennen zu machen, sind wir auf direktestem Wege zum Oberbayern gegangen. Dazu muss man wissen, dass diese Kneipen-Diskothek für uns so etwas wie das Herz des Ballermann ist. Ganz egal, was man sucht - ein Bier, eine Tanzfläche, eine Frau fürs Leben (oder eine Frau für eine Nacht) - hier findet man alles. Und zwar mit Garantie.
    Benni, Hacki und Schröder waren schon die ersten Stufen hinunter zum Eingang des Oberbayern gegangen (liegt nämlich im Keller, der Laden), als sich unten für einen kurzen Moment die Tür öffnete. Ein paar angetrunkene, fröhlichlaute Gäste kamen herausgetorkelt, begleitet von einer Wolke aus Bierdunst, Zigarettenqualm und Schweiß - das typische Oberbayern -Aroma, das wir so sehr lieben.
    Bei mir aber hatte dieser kurze, intensive Eindruck eine überraschende Wirkung. Ich wusste plötzlich, dass ich einen kurzen Boxenstopp brauchte, bevor ich für den Rest der Nacht auf die Rennstrecke ging. Sprich, ich wollte einfach für einen Augenblick alleine sein. Ist ja auch kein Wunder - mir wurde nämlich mal wieder siedend heiß klar, dass ich in einer Woche heiraten werde. Da hat man schon mal sentimentale Anwandlungen. Immerhin würde dieses freie, unbeschwerte Leben, in das ich mich gerade stürzen wollte, demnächst vorbei sein. Und zwar für immer.
    Darum sagte ich zu den Jungs: »Geht schon mal vor. Ich komme gleich nach.«
    »Wohin willst du denn?«, erkundigte sich Hacki und sah mich verwundert an.
    »Ich brauche einfach mal kurz frische Luft.«
    »Igitt. Wie gesund!« Daraufhin verschwanden er, Schröder und Benni im Oberbayern , während ich genau in die andere Richtung ging, nämlich zum nahe gelegenen Strand von Arenal.
    Ich wusste sofort, dass meine Entscheidung richtig gewesen war. Je weiter ich mich nämlich entfernte von der Promenade, die auch um diese Zeit noch voll mit Kneipenbummlern, Animateuren, afrikanischen Uhrenverkäufern und albanischen Hütchenspielern war, desto besser ging es mir. Ich näherte mich dem Ufer, und die Stille und die leichte Brise, die vom Wasser herwehte, taten mir unendlich gut. Ich wurde sogar so etwas wie nüchtern.
    Eine ganze Weile wanderte ich durch den Wald der zusammengeklappten Sonnenschirme und vorbei an den Bergen aus ineinandergestapelten Strandliegen. In wenigen Stunden schon würde es hier wieder rammelvoll sein wie in einer Sardinenbüchse. Die Sonnenanbeter würden dicht an dicht nebeneinanderliegen und ihre sonnenverbrannte Haut mit weiteren

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