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Billigflieger

Titel: Billigflieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Tamm
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sie - so als würden wir uns kennen und lieben und sehr vertraut miteinander umgehen.
    Und sie, was soll ich euch sagen, ließ es einfach geschehen. Sie zuckte nicht zusammen, drehte sich nicht um und gab mir keine Ohrfeige, auch riss sie sich nicht los, um sich tatsächlich ins Meer zu stürzen und zu ertränken.
    Nein, sie legte einfach ihre Hände auf meine, und ich konnte spüren, wie sie sich in meiner Umarmung entspannte und sich sogar gegen mich lehnte.
    Und dann standen wir da, zwei Fremde, die voneinander nicht einmal wussten, wie sie hießen oder woher sie kamen. Wir standen mitten in der Nacht im Mittelmeer, am Strand von Mallorca, wärmten uns und sahen gemeinsam hoch zu den Sternen.
    Ich weiß nicht, wie lange es so ging. Vielleicht zehn Minuten? Vielleicht eine halbe Stunde? Jedenfalls war es eine geile Zeit. Wann hat man das auch schon einmal, dass man eine unbekannte Frau in die Arme schließen kann, ohne sich vorher mit Smalltalk, Einladungen zu Drinks und allerlei anderen Versprechen abstrampeln zu müssen? Ich dachte einfach gar nichts und genoss es, so dazustehen und sie an meinem Körper zu spüren.
    Irgendwann merkte ich dann, dass das Wasser zwar warm war, aber sooo warm eben auch wieder nicht. Und vermutlich sahen wir jetzt schon aus wie zwei Wasserleichen: blau angelaufen, aufgequollen und mit einer Haut wie alte Nektarinen. Außerdem würde in nicht allzu ferner Zukunft die Sonne aufgehen, die ersten Badegäste würden kommen, und spätestens dann würde irgendjemand die Ambulanz oder den Fangdienst von der örtlichen Nervenklinik alarmieren.
    »Was meinst du? Wollen wir ans Ufer zurück? Mach dir keine Sorgen. Egal, was dich zu dem Schritt getrieben hat, du wirst das Problem lösen können. Glaub mir. Es gibt keinen Grund, Schluss zu machen«, sagte ich dann mit einer möglichst milden Stimme zu ihr. Es waren die ersten Worte, die überhaupt zwischen uns fielen.
    Sie löste sich daraufhin aus meinen Armen, drehte sich um, sah mich verwundert an und lachte dann aus vollem Hals auf. »O doch. Es gibt sogar tausend Gründe, um Schluss zu machen. Zum Beispiel, weil er mich betrogen hat, der Mistkerl. Und weil er eigentlich überhaupt ein furchtbarer Mensch ist, von dem ich schon kaum mehr weiß, warum ich ihn eigentlich mal geliebt habe. Und darum bin ich sogar sehr froh, dass ich Schluss gemacht habe. Mit ihm. Endlich. Ich habe es nämlich schon lange vorgehabt. Jetzt habe ich endlich den Trennungsstrich gezogen. Ich bin so froh, dass ich ihn los bin und einfach hier stehen und das Leben genießen kann …«
    »Dann wolltest du dich gar nicht umbringen?«
    »Nein, eigentlich nicht. Ich hoffe sehr, du bist jetzt nicht enttäuscht.«
    »Na ja, ich …« Zugegeben, ich hatte keine Ahnung, was ich jetzt sagen sollte. Aber ich musste auch gar nichts sagen. Denn sie übernahm das Wort.
    »Aber im Übrigen hast du Recht«, sagte sie versöhnlich. »Lass uns ans Ufer gehen. Mir ist nämlich verdammt kalt. Und ich will bestimmt nicht doch noch sterben. An Unterkühlung oder so.«

5. Eine echte Frau
    Eine Viertelstunde später saßen wir am Ufer in einer winzigen spanischen Bodega. Wir waren die einzigen Gäste. Mit etwas Kleingeld und flehenden Blicken hatte ich den Besitzer dazu überredet, uns noch einen Kaffee zu kochen, obwohl er eigentlich gerade schließen wollte. Er hatte ganz offensichtlich die Nase voll von betrunkenen Deutschen, die mitten in der Nacht zu ihm kamen und deren Wortschatz auf Spanisch aus einem einzigen Wort bestand: Cerveza . Aber offenbar hatte der Mann gespürt, dass wir, also ich selbst und diese Frau aus dem Meer, anders waren. (Unter uns gesagt, ich bin eigentlich gar nicht anders. Ich kann nämlich auch nur Cerveza . Aber sie schon. Und das reichte.)
    Wir setzten uns an einen Tisch, hielten unsere dampfenden Becher in den Händen, und dann begann sie zu erzählen, einfach so. Ich musste sie gar nicht fragen oder dazu auffordern. Ganz offenbar war sie so voll mit Gedanken und Gefühlen, dass diese ganz von selbst den Weg über ihre Lippen fanden.
    Sie hieß Katie, war 32 Jahre alt und hatte als Innenarchitektin Karriere gemacht. Außerdem war sie bis vor ungefähr drei Stunden in einer festen Beziehung gewesen - bis sie gemerkt hatte, dass ihr bisheriger Freund sie nach Strich und Faden betrogen hatte.
    Er hieß Gerd und war der Typ Mann, der einer Frau alles bieten kann: Geld, Schmuck, ein teures Auto. Kurz, ein Leben ohne Sorgen. Er war selbstständiger Immobilienmakler

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