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Billigflieger

Titel: Billigflieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Tamm
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anderen Patienten. Hacki, Schröder und Benni wohnen nämlich im selben Stock wie ich. Unsere Zimmer liegen direkt nebeneinander.
    Ich klopfe bei jedem Einzelnen an die Tür, und jedes Mal erklingt ungefähr die gleiche Antwort. Etwa so:
    »Hilfe, ich sterbe. Mein Schädel.«
    »Ich gehe schon mal runter an den Pool«, sage ich.
    »Ich komme nach, falls ich überlebe«, röchelt Hacki.
    »Bis später«, stöhnt Benni.
    »Und bestell mir schon mal ein Bier«, wimmert Schröder.
    Echte Helden, denke ich spöttisch - und fasse mir in der nächsten Sekunde an den Kopf, in dem gerade eine Hiroshima-Bombe explodiert.
    Dass wir uns übrigens nicht mehr wie früher jeweils zu zweit ein Zimmer teilen, sondern jeder ein eigenes Zimmer bewohnen, hat seine Gründe. Hacki zum Beispiel schnarcht. Ist nicht so schlimm, sagt ihr? Euer Freund oder eure Freundin schnarcht auch? Und man gewöhnt sich an alles? Und irgendwann hört man es gar nicht mehr?
    Klar, ihr habt bestimmt Recht. Kann aber daran liegen, dass ihr am Presslufthammer arbeitet oder mit der Pflege des Autobahnmittelstreifens betraut seid oder auch mit dem Heranwinken von Düsenjets auf dem Flughafen. Dann machen euch solche nächtlichen Geräusche, wie Hacki sie ausstößt, nichts aus. Weil euer Gehör ohnehin nicht mehr vorhanden ist.
    Alle anderen aber würden ihm spätestens nach der ersten Nacht das Kopfkissen aufs Gesicht drücken, und zwar so lange, bis Stille herrscht. Weil sich das, was Hacki an Lärm produziert, als Geheimwaffe beim Militär einsetzen ließe, um in mehreren Hundert Kilometern Entfernung Häuser zum Einsturz zu bringen oder Flutwellen auszulösen. Das ist nicht Schnarchen. Das ist akustische Körperverletzung, und zwar mit Todesfolge. Von daher scheidet Hacki definitiv als Zimmergenosse aus.
    Bei Benni liegt die Sache anders. Er braucht eigene vier Wände, weil er, sobald er ein Hotelzimmer betritt, instinktiv den Pornokanal an seinem TV einschaltet und dann stundenlang wie hypnotisiert auf den Bildschirm starrt. Er nimmt auch keine Rücksicht darauf, wenn ein Zimmergenosse vielleicht schlafen möchte. Er sieht oft die ganze Nacht lang dabei zu, wie sich Männer und Frauen, Frauen und Frauen und Frauen und Dildos gegenseitig befruchten, und er ist der felsenfesten Überzeugung, dass es sich dabei um hochwertige Dokumentarfilme handelt, die man doch ohne weiteres auch im ganz normalen Free-TV zeigen könnte. Gut, kann er machen. Aber eben bitte alleine.
    Der schlimmste Fall ist Schröder. Ihn will man auf keinen Fall in seinem Zimmer haben. Schröder, 37 Jahre alt, ist nämlich genau wie Hacki seit Ewigkeiten verheiratet. Mit Gabriele. Und er liebt sie. Darum hat er die seltsame Angewohnheit, sie jeden Tag mindestens zweimal anzurufen. Und dann geschehen unfassbare Dinge, bei denen einfach niemand mit ihm im selben Raum sein möchte.
    Stellt es euch so vor: Schröder, der eine Statur wie Hulk Hogan hat und alles in allem ein Typ ist, dem die meisten Menschen nicht bei Dunkelheit begegnen wollen, hockt auf seinem Hotelbett, hält den Telefonhörer ans Ohr (der in seiner riesigen Pranke fast verschwindet) und säuselt mit butterweicher Stimme in die Sprechmuschel:
    »Na, wie geht es denn meiner kleinen süßen Kuschelmuschelmaus? Bist du denn nicht zu einsam ohne deinen großen Wollebollebär und ganz ohne die Schmusedusekuschelbuschelstunden mit ihm? … Ja, natürlich denke ich an dich, meine süße Hasenschnuckelmaus. Und ich freue mich jetzt schon drauf, dich bald wieder in meinen Händen zu halten und mein kleines Wonnepronne-Kuschelpuschel-Hasinasi-Schätzchen zu verwöhnen … Ja, dann bis morgen. Und ein dickes Kussibussi …«
    Woraufhin Schröder auflegt und - sollte eben doch jemand mit ihm im Raum gewesen sein - diese andere Person mit Killerblicken ansieht und sie mit einer Stimme, die ungefähr drei Oktaven tiefer ist als noch vor einer Minute, anherrscht: »Hör auf, mich so anzugucken, oder ich stampf dich so zusammen, dass du deine Knochen nummerieren und einzeln wieder zusammensuchen kannst, klar?«
    »Klar, Schröder. Und grüße nächstes Mal deine Poffeltoffel-Schnuffelduffel-Hasenkatzenbibermaus von uns.«
     
    Ich finde tatsächlich eine freie Liege direkt am Pool und breite mein Handtuch darauf aus. Vorsichtig lasse ich mich nieder. Perfekt.
    Das Einzige, was nervt, ist dieses merkwürdige, langgezogene Stöhnen, dessen Ursprung ich nicht ausmachen kann. Kann man denn nirgendwo seine Ruhe haben?
    Okay, ein paar Minuten

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