Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Billigflieger

Titel: Billigflieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Tamm
Vom Netzwerk:
später stelle ich fest, dass ich selber die Quelle dieser Geräusche bin. Ich stöhne nämlich alle zwanzig Sekunden. Vermutlich ist das genau der Abstand, in dem mein Zentralnervensystem die Schadensbilanz der vergangenen Nacht aufstellt und mir Warnsignale der Alarmstufe Rot zukommen lässt. In Form von Stichen, die durch meinen Schädel zucken. Noch ein paar solche Nächte und in meinem Kopf ist nichts mehr übrig, was wehtun könnte.
    Wusstet ihr eigentlich, dass auf Malle seit längerem so eine Art Olympische Spiele ausgetragen werden? Dabei geht es darum herauszufinden, wer, also welche Nation, die Härtesten unter den Harten sind.
    Vermutlich seid ihr kaum überrascht, wenn ich euch verrate, dass es beim Medaillenspiegel bis vor einigen Jahren ein ziemlich enges Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Deutschen und Engländern gab.
    Die Briten liegen bei einigen Disziplinen ganz klar vorne. Zum Beispiel, wenn es darum geht, innerhalb eines einzigen Premier-League-Spiels eine Kneipe restlos leerzutrinken, sämtliche vorübergehenden Passanten anzupöbeln, die Kellnerin zu schwängern und danach ohnmächtig auf dem Fußboden in einer Pfütze aus eigenem Erbrochenem liegen zu bleiben. Da macht den Freunden von der Insel wirklich niemand etwas vor. Respekt.
    Auch im Betrunken-in-der-Sonne-liegen-und-innerhalb-eines-Tages-Hautkrebs-Kriegen sind die Briten ungeschlagen. Und erst recht im Wie-viel-muss-ich-trinken-bis-ich-meine-Freundin-schön-Finde. Einfach klasse.
    Aber wir Deutschen haben auch unsere Standarddisziplinen, in denen uns keiner den Rang abläuft. Zum Beispiel abends im Bierkönig , wenn es darum geht herauszufinden, wie viele Jungs auf einmal auf einen quadratmetergroßen Tisch passen, und dabei »Weiß-der-Geier-oder-weiß-er-nicht« von Wolfgang Petry zu singen. Da sind wir unbesiegbar.
    Oder diese Sache mit den Sangria-Eimern und den Strohhalmen - das ist eine unserer Königsdisziplinen. Es geht dabei übrigens gar nicht darum, einfach nur Flüssigkeit aus einem möglichst großen Abstand mit einem möglichst dünnen Plastikröhrchen in sich hineinzusaugen. Kinderspiel. Nein, die echten Meister schaffen es dabei auch noch, mittels geschickter Saugtechniken ihren Strohhalm so zu verformen, dass er den Vornamen eines Mädchens abbildet, mit dem sie etwas anfangen wollen. Und dieses Mädchen ist daraufhin so gerührt, dass es zu allem Ja sagt.
    Der springende Punkt ist, dass seit ungefähr zwei Jahren ein neuer Konkurrent aufgetreten ist. Und es ist nicht übertrieben zu behaupten, dass der das gesamte Feld aufgerollt hat und sich eine Goldmedaille nach der anderen um den Hals hängt.
    Von wem ich rede? Na, von den Typen, die die hässlichsten Klamotten, die schlechtesten Frisuren, die miesesten Zähne und die hübschesten Frauen haben. Und bei denen Saufen erst da anfängt, wo andere Menschen schon besinnungslos unter dem Tisch liegen. Weil sie sich schon morgens mit Hochprozentigem die Zähne putzen und überhaupt statt Wasser ausschließlich Schnaps zu sich nehmen.
    Schon klar, um wen es geht, oder? Genau. Ich rede von RUSSEN - einer Nation, deren Bewohner mehr trinken als Deutsche, Engländer und Schweden zusammen. Und die uns endlich klarmachen, dass wir gar nicht so schlimm sind, wie wir immer dachten.
    Wie ich darauf komme? Ganz einfach. Weil ich, während ich so auf meiner Liege vor mich hin döse und anfange, mich zu regenerieren, folgenden Dialog aus Richtung der Poolbar mitanhören muss:
    »Andrej, mein Towarischtsch, komm herrrr, lass dirrr umarrrmen, mein Frrreund. Nastrowje .«
    »Sergej, wie scheen, disch zu sähen. In meine Arrrme. Was dänkst du, werrrden wirrr machen heite?«
    »Heite? Isch schlage vorrr, wir trrrrinken etwas. Was meinst du?«
    »Gute Idä, mein Frrreund. Aber isch habe bässere. Wir kennten einfach etwas trrrinken, mein Freund.«
    »Sehrrr gutt, Towarischtsch, sehrrr gutt. Aber davor schlage ich vor, wirrr trinken etwas.«
    So geht es hin und her, und ich höre mir das an, bis mich eine Stimme direkt neben mir aus den Gedanken reißt.
    »Ekelhafte Typen, oder?«
    Ich blicke zur Seite. Schröder lässt sich gerade neben mir nieder. In der Hand hält er ein großes frisch gezapftes Bier. Er sieht aus dunkel umränderten Augen zu den Russen hinüber und schüttelt angewidert den Kopf. »Ich meine, die haben doch wirklich nur Saufen im Kopf.«
    »Und Fressen«, ergänzt Hacki, der seine drei Zentner Lebendgewicht auf eine weitere Liege plumpsen lässt und dabei versucht, die

Weitere Kostenlose Bücher