Billigflieger
Rückleuchten der anderen Autos, auf der anderen Fahrbahnseite blenden uns die hellen Scheinwerfer der entgegenkommenden Wagen. Nicht gerade die Atmosphäre für tiefschürfende Gespräche.
»Doch, Katie. Genau so bin ich«, sage ich schlicht.
»Aber …«
»Nein, kein Aber. Was hast du denn bitte schön erwartet? Du hast es ganz richtig gesagt heute Morgen: Ich bin ein Typ aus Arenal. Und du bist ein Mädchen aus Deia. Ich bin arm, du bist reich. Ich bin ein ganz normaler Kerl, und du stammst aus gutem Hause. Das ist die Wirklichkeit. Wir passen nicht zusammen. Wir müssen uns damit abfinden. Es ist in Ordnung. Der einzige Fehler, den wir uns vorwerfen können, ist der, dass wir uns überhaupt wiedergesehen haben. Vielleicht war es sogar den Versuch wert - aber er ist nun mal schiefgegangen. Lassen wir es einfach dabei.«
Nicht schlecht, oder? Ich glaube, mit dem Spruch könnte ich mich in Hollywood bewerben. Ist doch absolut filmreif. Echt melodramatisch - müsste jede normale Frau zum Heulen bringen, oder?
Na ja, Katie anscheinend nicht. Sie hat ihre Tränen vermutlich vorhin schon verbraucht. Ist auch egal.
Sie sieht kurz zu mir hinüber, starrt dann wieder auf den Verkehr vor uns. Mit einer trockenen, kontrollierten Stimme sagt sie dann: »Du hast Recht, Jo. Lassen wir es dabei.«
Stille. Alles ist gesagt. Ein würdiges Schlusswort.
Tja, aber anstatt dass ich es wirklich damit bewenden lasse, beweise ich mal wieder, dass ich nicht alle Tassen im Schrank habe. Ich weiß auch nicht, warum ich in solchen Situationen immer irgendetwas tun muss, was mich garantiert in noch größere Schwierigkeiten bringt. Entweder weil ich wirklich nicht ganz dicht bin oder weil mir alles andere einfach zu langweilig wäre. Keine Ahnung.
Vielleicht finde ich auch nur, dass dieses »Lassen wir es dabei« ein zu mickriges Ende für die Sache mit Katie und mir sein würde.
»Würdest du bitte kurz anhalten, Katie«, höre ich mich selber sagen.
»Hier? Mitten auf der Autobahn?«
»Wie wäre es mit dem Seitenstreifen?«
»Also schön.«
Sie bringt den Wagen zum Stehen und sieht mich verwundert an. Ich schließe für einen Moment die Augen. Innerhalb weniger Sekunden lasse ich noch einmal den gesamten zurückliegenden Tag Revue passieren, angefangen von unserem Wiedersehen am Pool, über unseren seltsamen Handschlag im Wagen (kein Sex!), bis hin zu unserem Streit im Restaurant.
Ich weiß auf einmal, dass das alles überhaupt keine Rolle spielt. Weil nur dieser eine Moment zählt, den wir jetzt gerade erleben. Darum tue ich es. Ich beuge mich über die Gangschaltung hinweg zu ihr und küsse sie. Und zwar ohne zu fragen, ohne etwas zu sagen, einfach so, mitten auf den Mund.
»Jetzt kannst du weiterfahren«, sage ich.
»Muss ich?«
»Nein.«
»Gut.«
Dann ist sie diejenige, die sich rüberbeugt, und wir küssen uns erneut. Und zwar auf eine Art, über die Hacki sagen würde: »wie Tiere«.
30. Geisterstunde
Eine gute halbe Stunde später sind wir wieder in Arenal, und Katie fährt direkt vor dem Hotel vor - allerdings nicht vor meinem . Sondern vor ihrem . Sogar vor ihrem eigenen , wie sie betont.
»Und hier wohnst du?«, frage ich verwundert.
»Allerdings. Und ich bin sogar der einzige Gast. Wir haben sozusagen das ganze Hotel für uns!«
Wir stehen in einer Seitenstraße vor einem ziemlich heruntergekommenen Gebäude, das seine besten Zeiten vermutlich irgendwann im vorletzten Jahrhundert hatte. Die Fassade ist abgeblättert, die meisten Fenster sind mit Brettern vernagelt, und vor der großen hölzernen Drehtür hängt eine riesige Eisenkette mit einem Schild daran, auf dem in Deutsch, Englisch und Spanisch »Wegen Umbau geschlossen« steht.
Dennoch, das muss ich zugeben, ist dem Hotel anzusehen, dass es früher einmal so etwas wie Grandezza besessen hat: Die Mauern und Giebel sind mit Stuck verziert, hinter den wenigen Fenstern, die nicht vernagelt sind, sieht man edle Brokatvorhänge, und vor der Tür liegt immer noch ein alter, kostbarer roter Teppich.
Katie erklärt mir, dass es sich um das ehemalige Hotel Isla Mallorca handelt. Es ist nicht nur eines der ältesten Häuser am Ort, in dem schon berühmte Hollywoodstars und der König von Spanien logiert haben, es ist ganz zufällig auch das Haus, das ihr Freund Gerd gekauft hat. Beziehungsweise ihr Exfreund. So ist sie auch nach unserer Begegnung neulich nachts einfach hierhergekommen, zumal sie wusste, wo Gerd den Schlüssel versteckt hatte.
Er möchte das
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