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Billigflieger

Titel: Billigflieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Tamm
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Tag, an dem er arbeitslos wurde. Ich war damals sechzehn. Die Chance, dass so einer nochmal eine Anstellung findet, ist ungefähr so groß, wie hier in Arenal einen Deutschen zu treffen, der nüchtern ist. Meine Mutter hat ihm die Hölle heißgemacht, jeden Tag, immer aufs Neue. Einen Versager hat sie ihn genannt, einen Faulpelz, einen Drückeberger. Schließlich ist er einer von denen geworden, die jeden Morgen aus dem Haus gehen und jeden Abend heimkehren, nur dass sie zwischendurch nicht auf Schicht sind, sondern im Park herumstehen und Dosenbier trinken.
    Damals, ich war ein ziemlich ausgekochter Bengel, war mir das natürlich alles ziemlich egal. Schule, Arbeit, Geld verdienen. Was soll’s, interessierte mich nicht. Ich entwickelte zu der Zeit die üblichen Hobbys, und wenn ich nachmittags mit meinen Kumpels herumhing, also mit Hacki und Schröder, und etwas später auch mit Benni, unterhielten wir uns über genau dieselben Dinge wie alle in dem Alter: Mofas, Musik und Mädchen. Wir Jungs hatten damals einen leerstehenden Keller mit Matratzen und alten Möbeln eingerichtet. Und dorthin haben wir dann unsere Freundinnen eingeladen, und während auf dem alten Plattenspieler die Scheiben von Kiss, Status Quo oder Foreigner liefen, haben wir unsere ersten Erfahrungen gesammelt.
    Bei vielen meiner Freunde sollte es dabei auch bleiben. Weil die Mädchen damals schneller schwanger wurden als die Kaninchen in den Ställen im Hinterhof. So war es jedenfalls bei Hacki gewesen und dann auch bei Schröder. Die beiden heirateten mit Anfang zwanzig und wurden kurz darauf Väter, und vermutlich sind sie Großväter, bevor sie ihren vierzigsten Geburtstag erleben.
    Zu der Zeit war es nur eine Ahnung, aber etwas später wurde mir dann klar, dass ich irgendwie anders war als meine Freunde. Es war halt so, dass die Welt, in der ich aufgewachsen bin, in gewisser Weise doch noch heil war. Jedenfalls, was das Thema »Heiraten und Kinderkriegen« anging. Wie gesagt, meine besten Freunde waren früh unter der Haube, hatten Kinder und im besten Fall auch einigermaßen sichere Jobs. Abends trafen wir uns in der Kneipe oder in der Disco, und eigentlich lebten die meisten von uns das Leben, das auch unsere Eltern führten. Keine großen Aufregungen, aber dafür gab es so etwas wie Verlässlichkeit.
    Ich war zunächst ein wenig neidisch auf die Jungs. Ist wohl verständlich, wenn man der Einzige ist, der in dieser Hinsicht aus dem Rahmen fällt. Und ich weiß nicht einmal genau, warum ich diesen Weg eingeschlagen habe - es ergab sich halt. Klar, ein paar Versuche habe ich unternommen. Aber es hat nicht funktioniert. Keine Beziehung, die ich eingegangen bin, hat länger als ein Jahr gehalten. Und in der Regel war schon viel früher Schluss. Es war einfach so, dass mir alle Mädchen, mit denen ich etwas anfing, spätestens nach drei Monaten auf die Nerven gingen. Und wenn ich mich mal auf eine längere Beziehung einließ, dann nur, weil ich die Nase voll davon hatte, von meinen Kumpels verspottet zu werden. Von wegen, dass ich auch wirklich mit keiner zufrieden wäre. Dabei war das gar nicht so. Dachte ich jedenfalls damals. Ich fand einfach nur nicht die Richtige.
    Na ja, und dann traf ich Nina. Und obwohl wir keinen einfachen Start miteinander hatten und uns ziemlich häufig stritten, habe ich bei ihr zum ersten Mal das Gefühl gehabt, dass auch ich zu so etwas wie Zuverlässigkeit und Verbindlichkeit in der Lage bin.
    So gesehen ist Nina die erste Frau, die mich von meinem bis dahin unsteten, immer auf den nächsten Kick ausgerichteten Singletum befreit hat. Und im Laufe der Zeit habe ich mich an sie gewöhnt, auch wenn das nicht heißt, dass wir uns immer gut miteinander verstehen. Aber das muss ja auch nicht sein. Denn so viel habe ich gelernt: Man kann für sein Glück ohnehin nicht kämpfen. Es passiert einfach. Oder auch nicht. Irgendwann muss man bereit sein, die Dinge hinzunehmen. Auch wenn sie vielleicht nicht ganz so sind, wie man sie sich vorgestellt hat.

32. Zwei Rebellen
    Es ist schon weit nach Mitternacht, als ich meinen Bericht beende. Katie hat es sich in ihrem Sessel bequem gemacht und mir aufmerksam zugehört. Sie hat meine Rede immer mal wieder durch kleine Kommentare, eingeworfene Gedanken oder ein spontanes Kichern unterbrochen.
    Jetzt aber sieht sie mich mit einer in Falten gezogenen Stirn nachdenklich an und sagt: »Ist dir eigentlich schon mal aufgefallen, dass wir uns ähnlich sind, Jo?«
    »Nein«, entgegne ich.

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