Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Billigflieger

Titel: Billigflieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Tamm
Vom Netzwerk:
altehrwürdige Haus so schnell wie möglich abreißen lassen, um an der gleichen Stelle einen dieser riesigen modernen Hotelklötze hinzusetzen. Bisher hat er aber noch nicht die entsprechenden Genehmigungen bekommen. Irgendwann würde er schon noch den richtigen Beamten bestechen, und dann würden hier die Abrissbagger anrollen. Aber bis dahin will Katie es sich hier einfach noch einmal gemütlich machen.
    Wir gehen zu einem kleinen Nebeneingang, und ich sage zu ihr: »Tja, dann wünsche ich dir eine gute Nacht.«
    Sie lächelt mich seltsam an. »Moment mal, du willst doch wohl nicht etwa gehen? Nachdem du mich gerade geküsst hast?«
    »Doch, eigentlich schon.«
    »Kommt gar nicht infrage. Du glaubst doch wohl nicht, dass ich dich jetzt einfach so weglasse. Nein, diese Nacht wirst du schön mit mir verbringen!«
    Unter normalen Umständen würde ich jetzt vor meinem geistigen Auge eine Champagnerflasche öffnen. Wann passiert einem so etwas schon einmal? Eine wunderschöne Frau droht mir eine gemeinsame Nacht in einem verlassenen Hotel an - das klingt fast so unwirklich wie die Handlung eines Billigpornos. In einem solchen Film müsste ich jetzt so etwas sagen wie »Okay, du kleines geiles Luder, dann zieh dich schon mal aus.«
    Tue ich aber nicht. Das hier ist nämlich kein Film. Außerdem besteht da noch dieses seltsame Abkommen, das Katie und ich getroffen haben und an das ich sie fairerweise doch noch einmal erinnern möchte.
    »Du wolltest doch keinen Sex mit mir haben«, sage ich. »Das hast du mich sogar schwören lassen! Und jetzt soll ich mir dir da reingehen?«
    Katie sieht mich an und bekommt einen Lachanfall.
    »Hat irgendjemand von Sex gesprochen?«
    »Nein, aber … Warum sollten wir denn sonst die Nacht miteinander verbringen?«
    »Typisch Mann. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, dass man mit einer Frau auch etwas anderes tun könnte, als sie zu verführen.«
    »Was könnte man denn sonst noch mit ihr tun?«
    »Lass dich überraschen. Und jetzt komm einfach mit.«
    Ich seufze resigniert und folge ihr durch die Nebentür ins Innere des Gebäudes.
    Drinnen herrscht trübes Zwielicht, das von ein paar Notlichtern erzeugt wird. Die Sitzgruppen in der Halle sind mit weißen Laken verhängt, und über allem liegt eine dicke Staubschicht. Es wirkt wie die Kulisse für einen Gruselfilm, allerdings einen der besonderen Sorte. Ein ganzes Hotel für sich alleine zu haben, ist an sich schon ein besonderes Erlebnis. Und wenn es dazu noch mitten in der Nacht ist und man eine Frau an seiner Seite hat, mit der man garantiert keinen Sex haben würde, kann einen das wirklich das Fürchten lehren.
    Katie bewohnt die Suite im obersten Stock - ein Raum mit teuren Louis-quatorze-Möbeln, einem marmorgefliesten Badezimmer und einem Himmelbett, von dem vermutlich alle Mädchen träumen. Bevor wir es uns dort bequem machen (mein Plan), streifen wir erst einmal mit einem brennenden Kerzenständer in der Hand durch das gesamte Haus (ihr Plan).
    Wir kommen uns vor wie Teenager, die etwas Verbotenes und sehr Abenteuerliches tun. Vorsichtig schleichen wir die langen Flure entlang, während die flackernden Kerzen unsere Schatten gegen die Wände werfen und unseren Augen Streiche spielen - als ob wir wirklich Gespenster sehen könnten. Katie gruselt sich und lacht sich gleichzeitig tot. Typisch Frau. Die wissen einfach nicht, was sie wollen. Da soll mal einer schlau draus werden.
    Dann setzen wir uns bei Kerzenlicht in den großen Ballsaal und trinken eine Flasche Wein, die wir in einer Vorratskammer neben der Küche gefunden haben. Ich bringe mit ein wenig Bastelarbeit und ein paar gezielten Schlägen das alte Grammophon in Schwung, und Katie und ich drehen Walzerrunden über das verstaubte Tanzparkett.
    Als wir uns außer Atem und lachend wieder an den Tisch setzen, hebt Katie ihr Glas und prostet mir zu.
    »Darf ich dir ein Kompliment machen, Jo?«
    »Ich dachte, dafür sind Männer zuständig.«
    »Sei nicht so altmodisch. Also, darf ich?«
    »Wenn’s sein muss.«
    »Ich wollte dir sagen, dass ich … also dass du …«
    »Ja?«
    Sie sieht mich an und scheint innerlich irgendwie Anlauf zu nehmen, um ihre Worte herauszubringen. Dann sagt sie: »Ich habe das Gefühl, dass mich alle Männer, mit denen ich bisher zu tun hatte oder mit denen ich zusammen war, auf die eine oder andere Weise belogen haben. Die einen haben mir ganz direkt die Unwahrheit gesagt, und die anderen haben es auf eine indirekte, aber nicht viel bessere

Weitere Kostenlose Bücher