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Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Titel: Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fuenfte Offenbarung
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einige Übertragungswagen mussten auf dem Gehsteig 42

    vor dem Sitz von Harmonices Mundi parken. Laurence trat in die Eingangshalle und achtete sorgsam auf ihre Schritte, weil der Boden mit Kabeln und Leitungen übersät war.
    »Frau Dr. Descombes! Wohin waren Sie denn nur verschwunden?«, rief Monique aufgeregt. »Man hat Sie seit 12 Uhr überall gesucht, Sie wollten doch mit dem Chef zu Mittag essen … Er ist in einer Verfassung, das können Sie sich gar nicht vorstellen! Kommen Sie, man muss ihm sofort Bescheid sagen! Das ist kein Vorwurf, verstehen Sie mich bitte nicht falsch, aber man wusste einfach nicht, wie man Sie erwischen sollte! Man hat schon Leute durch das ganze Viertel geschickt – auf die Suche nach Ihnen …«
    »Was tut sich denn hier?«, fragte Laurence ganz verstört und blickte sich um, ohne sich vom Fleck zu rühren. »Warum denn diese ganze Aufregung?«
    Monique blickte sie ihrerseits ganz erstaunt an:
    »Aber das ist doch alles Ihretwegen! Sie wissen doch, die Pressekonferenz …«
    Sie nahm Laurence behutsam am Arm und zog sie zum Aufzug.
    Im dritten Stock erwartete sie schon Antoine Becker, der wohl von der Empfangsdame unten benachrichtigt worden war.
    »Gott sei gelobt! Ist alles in Ordnung? Ich habe ja Blut und Wasser geschwitzt! Die Presse ist da, alle sind gekommen, man wartet nur noch auf Sie! Das kostet mich zehn Jahre meines Lebens …
    Stel en Sie sich vor, ich war kurz davor, denen sagen zu müssen, Sie seien verschwunden!«
    Er ergriff Laurence bei den Schultern und fragte sie mit besorg-tem Blick nochmals, ob alles in Ordnung sei. Sie nickte nur mit dem Kopf und entwand sich seinem Griff. Hinter seiner Besorgtheit, die sicher ernsthaft, aber doch auch gespielt war, spürte sie Verstimmung, ja sogar Zorn.
    Der große Besprechungsraum quoll über. Sobald Laurence ihn betrat, veränderte sich der Klang des Stimmengewirrs, und es kam 43

    Bewegung in die Menge. Die Kameras waren bereit, am Podium war ein Bündel von Mikrofonen installiert, und nun flammten die Scheinwerfer auf. Antoine Becker sprach ein paar einleitende Sätze und wies dann darauf hin, dass Frau Dr. Descombes keine Erklä-
    rung vorbereitet habe, aber zur Beantwortung von Fragen gerne zur Verfügung stehe.
    Laurence sprach dann etwa fünfzehn Minuten lang, sicher und sachlich. Sie fühlte sich fremd und abwesend, aber ihre Worte kamen wie von selbst. Sie wusste, was man von ihr erwartete, und kannte ihre Rolle; das war gut so. Dann beantwortete sie die erste Frage nach den Bedingungen ihrer Gefangenschaft bei den Rebellen der Befreiungsarmee Farghestans. In diesem Augenblick hörte sie zu ihrer Rechten einen lauten Knall und drehte den Kopf, weil sie glaubte, eine Projektorlampe sei zerplatzt. Dort drüben stand Antoine, an eine Wand gelehnt – und in dieser Wand zeigte sich plötzlich ein langer Riss, der sich rasch ausbreitete und in viele Äste zer-teilte. Laurence spürte, wie sie zu schwanken begann.
    Becker sprang herbei und konnte die zusammensinkende junge Frau gerade noch auffangen. Unter den Augen der Kameras wurde Laurence auf einer Trage hinausgebracht.
    Wenn das kein Knüller war!
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    3 . KAPITEL
    iersten besuchte ihren Vater, Seine Ehren William MacMillan, Kohne ihre Strategie schon festgelegt zu haben. Sollte sie ihm gleich zur Eröffnung des Gesprächs die Frage stellen, die sie selbst nun schon seit achtundvierzig Stunden beschäftigte? – Oder war es besser, ihn auf Umwegen anzugehen und erst einmal seine Reaktion abzuwarten, wenn sie ihm von ihrem neuesten Auftrag bei der Kö-
    niglichen Polizei erzählte? Ihrem kämpferischen Naturell entsprach eigentlich eher das direkte Vorgehen, und ihre Aufrichtigkeit sträubte sich dagegen, den alten Herrn in eine Falle zu locken. Warum war sie so zögerlich? Und warum hatte sie solch einen Kloß im Hals und das dunkle Gefühl, dass sie ihre Entscheidung bedauern würde, wie auch immer sie ausfiele? Gewöhnlich richtete sie es so ein, dass sie sich mit ihrem Vater im Universitätsclub traf, weil das Haus der Familie in Rockliffe zu sehr von Erinnerungen belastet war, als dass sie sich dort wirklich wohl gefühlt hätte. (Sie hatte dort eine glückliche Kindheit erlebt bis zum Tode ihrer Mutter, die von einem Herumstreuner erstochen worden war in einem öffentlichen Park, in dem doch so viele Menschen joggten, wie sie selbst auch.) Aber es gab noch einen weiteren Grund, den sie allerdings ungern zugab: Sie vermied auch deshalb ein Treffen unter

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