Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt
neigen zu der Auffassung, dass sie wohl tatsächlich nicht wusste, dass sie ein Snuff transportierte. Man hat sich ihrer sozusagen als Brieftaube bedient…«
»Das nehme ich zwar zur Kenntnis, aber es ist keine Antwort auf meine Frage. Seid ihr auf eine Verbindung gestoßen zwischen diesen Snuffs und der Universellen Vereinigungskirche?«
»Noch nicht, aber wir sind sicher, dass eine solche Verbindung besteht. Ich werde nächste Woche in Paris an einer Besprechung von Interpol teilnehmen. Es scheint, als ob die italienische Polizei eine interessante Spur verfolge …«
»Hast du Sandrine über diese Reise informiert?«
»Nein, warum?«
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»Ich habe mit ihr am Sonntagabend telefoniert. Sie stellte sich viele Fragen, die dich betreffen.«
»Mich betreffen? Inwiefern?«
»Mehr so allgemein: deine Persönlichkeit, deine Interessen. Ob du Freunde hast, ob dir deine Arbeit gefällt, ob du zufrieden bist mit deinem Leben …«
Die Wipfel der Bäume hoben sich dunkel vor dem sternenglänzenden Himmel ab. Im Dunkel des Laubes hatte die Nachtigall wieder ihr Lied aufgenommen …
Die Hilfe kam unverhofft – wie von einer guten Fee, die sich in diesen Sumpf verirrt hatte:
Wie die letzte Frau von Ritter Blaubart – dessen Geschichte ihr französischer Namensvetter überliefert hat – war Debby Perrault überaus neugierig. Sie fragte sich, was ihr Gatte, der Herr Generalmajor, da wohl treibe, als er sich mit einigen Unbekannten in dem Raum im Untergeschoss ihres Landhauses einschloss, das ihm als Büro diente. Das war am vorgestrigen Abend gewesen, und sie meinte, einen der Besucher erkannt zu haben. Aber was konnte der Senator Murdstone gemeinsam haben mit ihrem Conrad?
Sie hatte in den Sachen ihres Gemahls herumgeschnüffelt, und was sie dabei entdeckt hatte, ging ihr unaufhörlich im Kopf herum.
Es war wie ein Blutfleck, der sich nicht entfernen ließ … Sie war, um sich Rat zu holen, zu Hochwürden Flanagan gegangen, dem Pfarrer ihrer Gemeinde.
Am Morgen darauf saß sie im viktorianischen Wohnzimmer des Pfarrhauses Inspektor Kiersten MacMillan gegenüber.
Debby Perrault hatte diese Videokassette dort gefunden, wo der Herr Generalmajor sie versteckt hatte, und sie würde sie nach ihrer Rückkehr schleunigst wieder dorthin zurücklegen. Ihr Conrad wür-de sie umbringen, wenn er ihren Verrat bemerkte. Er sei zwar ein 216
Mann mit vielen guten Eigenschaften, versicherte sie der Frau Inspektor, neige aber doch gelegentlich zu Gewalttätigkeiten. Das sei allerdings auch nicht weiter verwunderlich bei der Jugend, die er gehabt habe.
Gewalttätigkeiten? Conrad Perrault war Kommandant einer Einheit von Blauhelmen in Somalia gewesen. Zwei seiner Soldaten waren über einen Gefangenen hergefallen – einen Fünfzehnjährigen, den sie dabei erwischt hatten, wie er in ihrem Lager Lebensmittel klauen wol te. Begierig darauf, einen Beleg für ihren friedensstiftenden Einsatz nach Kanada schicken zu können, hatten sie sich mit ihrem Opfer fotografieren lassen. Die Veröffentlichung der Aufnahmen in den Medien hatten einen Eklat ausgelöst und zutage gebracht, dass höchste Stellen der Armee versucht hatten, die Affäre zu vertu-schen.
Als er vor einer Untersuchungskommission erscheinen musste, hatte er beteuert, niemals etwas von diesen Übergriffen durch ›zwei oder drei Hitzköpfe‹ gewusst zu haben. Darauf hatte man ihm In-kompetenz vorgeworfen. Dieser Vorwurf allein schon war für seinen weiteren Aufstieg in der Armee alles andere als förderlich. Aber schlimmer noch: Die Folterung des jugendlichen Diebes war nicht nur fotografiert, sondern in ihrem Endstadium auch gefilmt worden. Und vier Sekunden lang war auch Conrad Perrault im Blick-feld der Kamera gewesen … Seine Karriere war verpatzt!
Kiersten hatte sich eine volle Stunde lang unter vier Augen mit Clarkson unterhalten. Nachdem er sich höheren Orts abgesichert hatte, hatte er sie ermächtigt, Conrad Perrault ein ›Angebot zur Zusammenarbeit‹ zu unterbreiten. Ein Maulwurf im Nest sei mehr wert als ein weiterer Schuft im Loch, hatte er ihr mit jener über-217
raschenden Knappheit erklärt, die seine sonstige weitschweifige Art, sich bei unangenehmen Themen zu winden, noch irritierender machte.
Höchst widerstrebend hatte der Generalmajor Platz genommen, aber die Empfehlungen seines Rechtsberaters hatten ihn zur Zusammenarbeit veranlasst. Er hatte schließlich über diesen ominösen
›Gesprächskreis‹ des Senators geredet, über Art und Weise
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