Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt
ihres Vorgehens, über die finanzielle Seite usw. Kiersten hatte das Gefühl, dass sich ihr Einsatz gelohnt hatte. Das war allerdings vielleicht schon zu viel gesagt, oder jedenfalls zu früh: Die schwierigste Phase der ›Operation Mausefalle‹ stand noch bevor. Denn man benötigte erst einmal eine ›Eintrittskarte‹ zu einer dieser außergewöhnlichen Sitzungen, und die kostete fünfzehntausend Dol ar, die sie erst noch auftreiben musste …
John Murdstone lebte allein in einem großen Penthouse auf dem Dach eines luxuriösen Anwesens an der Côte de Sable; ringsum befanden sich vorwiegend Botschaftsgebäude. Ein großer Wohnraum nahm die gesamte obere Etage seines ›Adlerhorstes‹ ein, wie er es nannte. Die Möbel waren neu, die Teppiche alt – echte Sammlerstücke, bei denen man sich darüber wundern konnte, dass er sie von seinen Besuchern abtreten ließ.
Besuchern, wie sie an diesem Abend ab etwa 23 Uhr bei ihm ein-trafen, um nach einem kleinen Umweg an die Bar in bequemen Sesseln Platz zu nehmen. Die Gebräuche des Hauses waren ihnen geläufig: Jeder bediente sich selbst, und das einzige Problem war, sich zu entscheiden. Denn die hier gebotene Auswahl an Scotch und Gin, an altem Kognak und Likören stand jener im Universitätsclub an Reichhaltigkeit nicht nach. Als Erster war wie gewöhnlich Tokugawa Hideyoshi eingetroffen, Handelsattache an der Botschaft Japans. Ihm war Bernard Fourbes gefolgt, Parlamentarischer 218
Staatssekretär im Umweltministerium, und dann Morty Zagiewicz, ein einflussreicher Lobbyist, der immer wieder im Fernsehen zu sehen war, wo er nachdrücklich die Interessen der Tabakindustrie gegen die ›hinterlistigen und tendenziösen‹ Angriffe des Gesundheits-ministeriums verteidigte.
Der nächste Ankömmling nannte sich Vladimir. Außer Murdstone wusste niemand Näheres über ihn. In seinem schmalen, langen Gesicht fielen die dunklen Tränensäcke auf. Um seinen dürren Hals war ein Seidenschal geschlungen, der nur dürftig eine Art von Ventil aus Plastik zu verhüllen vermochte, das auf der Höhe der Luftröhre angebracht war, und einen dünnen Schlauch, der in seinem offenen Hemdkragen verschwand, und in dem sich von Zeit zu Zeit ein kleiner Schleimklumpen bewegte. Bei jedem Atemzug erzeugte das Gerät ein leises Zischen. Es war eine Aura des Geheimnisvollen um ihn, und er schien über großen Einfluss zu verfügen.
Der Senator hatte ihn um seinen Rat bei der Auswahl einer neuen Musik-CD gefragt. Seine Sammlung beschränkte sich auf Klassik und Neoklassik. »Bei Strawinsky hört es bei mir auf«, erläuterte er dazu gern. »Alles danach ist, jedenfalls für meine Ohren, Kakopho-nie!«
Zuletzt kam Conrad Perrault in Begleitung seines Schwagers Robert Temple, eines Geschäftsmannes aus Thunder Bay. Dieser zö-
gerte mit aufmerksamem und unruhigem Blick etwas, ehe er in den großen Raum trat: Es war sein erster Besuch hier.
Der Senator begrüßte alle mit einem warmen Lächeln, aber kalten Augen. Temple zog einen dicken, braunen Umschlag hervor und legte ihn diskret auf eine Anrichte. Die Unterhaltung erstarb für einen Augenblick: Keinem war diese Geste entgangen.
(Im Laufe des Tages hatte Murdstone mit den übrigen Mitgliedern der Gruppe über dieses Aufnahmeersuchen in letzter Minute telefoniert. Der Generalmajor habe sich für das neue Mitglied verbindlich verbürgt… Dieses sei bereit gewesen, das Doppelte der üb-219
lichen Teilnahmegebühr – also das Doppelte der sonstigen sieben-tausendfünfhundert Dollar – zu zahlen, auf die Hand natürlich, wie gewöhnlich. Einen stärkeren Beweis für die Ernsthaftigkeit seines Bestrebens um Aufnahme in ihren Zirkel könne man sich eigentlich kaum vorstellen. Es komme hinzu, dass gerade die jetzige Vorführung die teuerste sei, die sie sich bisher geleistet hätten. Da wäre doch eine Entlastung um zweitausendfünfhundert Dollar pro Kopf nicht zu verachten. Die Zeiten seien schwer genug!) Zagiewicz wuchtete sich aus seinem Sessel hoch, um Temple die Hand zu schütteln. Dann begleitete er ihn an die Bar und berichtete ihm dabei von seiner unvergesslichen Angelpartie am Sioux Lookout. Den kenne er doch? (Ja, Robert kannte ihn.) Anschließ-
end begleitete er ihn zu seinem Sessel und machte ihn, unter Verzicht auf Familiennamen, auf dem Weg dorthin mit den anderen bekannt.
Diese neigten die Köpfe und versuchten sich einen Eindruck zu machen: Ein solider Typ, der unter etwas angeberischer Miene seine Nervosität zu verbergen
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