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Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Titel: Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fuenfte Offenbarung
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anzuschauen?«
    Es war ihr klar, dass er damit Die Frau und die Ratten meinte; wie hätte sie daran zweifeln sollen? Sie brachte es nicht fertig, ihm in dürren, nichts sagenden Worten am Telefon mitzuteilen, was sich diesbezüglich tatsächlich abgespielt hatte, und schwindelte ihm vor, sie würde sich das Snuff noch vor Ende des Tages ansehen.
    »Haben Sie schon mit Guilbert gesprochen?«
    Marcel Guilbert war Vorsitzender des Rates für Disziplinarange-legenheiten und Chef der Inneren Verwaltung.
    »Ich treffe mich morgen Vormittag mit ihm. Aber ich hätte vorher gerne mit Ihnen gesprochen. Ginge es um neun?«
    Auf dem Nachhauseweg versuchte sie sich an etwas zu erinnern, irgendeine Bemerkung, die ihr gegen den Strich gegangen war; wie war das doch noch mal? Dabei hatte sie die Qual der Wahl: Schließ-
    lich war doch dieser ganze Tag eine Folge von Frust gewesen. Ah, jetzt hatte sie's – eigentlich ein Nichts, eine Belanglosigkeit: Julien hatte Thierry ihr ›Protege‹ genannt…
    Mimi ging vor dem Haus auf und ab und schlenkerte den Weidenkorb, der als Transportmittel für Cashew diente. Sie küsste Kiersten 238

    auf beide Wangen.
    »Ich fing gerade an, mir Sorgen zu machen.«
    (Sie hatte an den Mundwinkeln noch kleine weiße Streifen – die Spuren der zahnärztlichen Behandlung.)
    »Wie lange bist du denn schon da?«
    »Seit sechs, wie vereinbart.«
    »Aber wir hatten doch sieben ausgemacht! Ein Glück, dass ich früher dran bin!«
    »Wir hatten keineswegs von sieben gesprochen, das weiß ich ganz genau!«
    »Aber ich bitte dich, Mimi!«
    »Ich dich auch, selbst wenn ich dir auf die Nerven gehe!«
    Als sie aus dem Aufzug stiegen, schnupperte Mimi und bemerkte mit Feinschmeckermiene, dass da wohl jemand ein Cordon bleu brate. Kiersten, die ihr stets nur mit halbem Ohr zuhörte, hatte schon die Tür geöffnet und drei Schritte in die Wohnung gemacht.
    Sie blieb wie vom Donner gerührt stehen – nein!
    In ihrem Rücken erklang schon die geschwätzige Stimme: »Nein so was, das riecht ja fein bei dir!«
    Kiersten stürzte los, um die Tür zu der kleinen Küche zu schlie-
    ßen. Als sie sich umwandte, stand die Freundin gleichfalls mit gro-
    ßen Augen wie versteinert vor ihr, mit verlegener Miene, weil sie ganz offensichtlich in ein Fettnäpfchen getreten war. Die Arme war schon so an ihre eigene Tollpatschigkeit gewöhnt, dass sie immer ein paar Entschuldigungen parat hatte.
    Sie eilte rasch ins Wohnzimmer und tat so, als ob sie nach ihrem
    ›Patenkind‹ suchen müsse. Das thronte gemütlich auf dem Sofa, erhielt ein Küsschen auf die Schnauze, wurde gestreichelt und gekrault und schließlich in den Korb mit seinem Guckloch gesetzt; das arme Kätzchen, um das man sich jetzt mal richtig kümmern würde.
    »Ich kann mich nicht länger aufhalten! Du weißt ja, dass ich 239

    nicht gerne in der Dunkelheit fahre. Schau nur, jetzt streckt sie ihr Pfötchen hin! Ja, mein Schatz, sag der Mama Adieu!«
    Sie verließ rasch die Wohnung, nicht jedoch ohne der entrüsteten
    ›Mama‹ einen verschwörerischen Blick zuzuwerfen und ihr guten Appetit zu wünschen.
    Kiersten stürzte wie eine Furie in die Küche. Chose zog gerade eine überbackene Schale aus dem Ofen. Er war barfuß und lediglich mit einer langen Schürze aus festem weißem Tuch und einem Le-derarmband um den Hals bekleidet.
    Als er Kierstens Gesichtsausdruck sah, zog er die wattierten Handschuhe aus und öffnete den Mund, besann sich aber dann. Er wartete mit gesenktem Blick: Er hatte keine Fragen zu stellen.
    »Sind Sie verrückt geworden?« (In ihrer Aufregung vergaß sie sogar, ihn zu duzen.) »Ja, ich weiß, dass wir uns darüber heute Morgen unterhalten haben … Aber ich habe jetzt weiß Gott wichtigere Dingen im Kopf als Ihre kulinarischen Träume, das könnten Sie sich eigentlich denken! Packen Sie sofort Ihren Kram zusammen und hauen Sie ab!«
    Sie drehte sich um, um hinauszugehen, doch da fiel ihr ein, dass Mimi vielleicht einen Blick durch die etwas offen stehende Küchentür erhascht haben könnte. Das verstärkte nur ihren Zorn: Nein, sie war noch nicht fertig mit diesem Idioten!
    »Verstehen Sie das unter sehr persönlichem Aufzug?«, sagte sie mit hämischem Lachen. »Ein Hundehalsband und einen nackten Arsch? Haben Sie sich schon mal angeschaut? Das sieht doch einfach lächerlich aus! Ich weiß wirklich nicht, was mich davon ab-hält…«
    »Ich auch nicht…«
    Mehr noch als diese herausfordernde Antwort war es seine Gelassenheit, die sie

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