Bin ich hier der Depp
gleichen Zeit auf mehrere Eimer verteilen will? Jedes Mal, wenn der Schlauch den Eimer wechselt, geht Wasser daneben – ein Streuverlust. Und es dauert viel länger, bis die einzelnen Eimer voll werden; schließlich bekommt jeder nur noch einen Bruchteil der ursprünglichen Menge ab.
Wenn wir von einer Aufgabe zur nächsten wechseln, vom Mailen zum Telefonieren, vom Simsen zum Konferieren, geht die Konzentration dabei verloren wie das Wasser zwischen den Eimern. Je öfter der Konzentrations-Schlauch das Arbeitsgefäß wechselt, desto weniger bleibt übrig für den einzelnen Vorgang.
»Wer nicht mehr weiß, wo ihm der Kopf steht, könnte ihn bereits verloren haben«, sagt der Aphoristiker Rupert Schützbach. Darin besteht ja der Hohn des Multitaskings: Während es den Eindruck erweckt, die Menschen effektiver zu machen, kostet es Effektivität und beschwört Fehler herauf. Wer die Studien zum Thema liest, könnte – Stichwort Multitasking – gleichzeitig schreien, den Kopf schütteln, fluchen und die Prediger des Multitaskings aus ihren Kirchen scheuchen.
Die Computerwissenschaftlerin Gloria Mark von der Universität Kalifornien hat über 700 Arbeitsstunden hinweg die Arbeitsabläufe von 24 Menschen erfasst: sieben Managern, acht Programmierern und neun Analysten. Jeden Schritt, jeden Handgriff, jede Störung und Unterbrechung zeichnete sie sekundengenau auf. [44]
Schockierend war nicht nur, dass ein Mitarbeiter im Schnitt alle elf Minuten unterbrochen wird. Schockierend war vor allem, was danach geschah: Es dauerte 25 Minuten, ehe er den Faden seiner ursprünglichen Tätigkeit wieder aufnahm! Aber wo war er stehen geblieben? Auf welche Details kam es an? Welchen Ansatz zur Lösung hatte er noch gleich?
Acht Minuten brauchte es, bis er wieder in den Vorgang eingetaucht war – und drei weitere, bis er wieder herausgerissen wurde. Drei Minuten! In einer Zeit, die kaum reicht, eine Tasse Kaffee zu kochen, sollen die Helden der modernen Arbeitswelt komplexe Probleme lösen. Darf es da wundern, dass es immer wieder zu ruinösen Fehlern kommt, etwa jenen, die uns in die Bankenkrise gestürzt haben?
Zumal die Mitarbeiter sich förmlich zerreißen müssen: Zwölf separate Aufgaben hatte jeder der von Gloria Mark beobachteten Arbeitnehmer zu erledigen. Dabei verhalten sich die Menschen wie Ertrinkende: Wenn sie merken, dass sie es nicht schaffen, schlagen sie immer heftiger um sich. Sie verfallen in Aktionismus und wiederholen, was nicht funktioniert hat, statt auszuprobieren, was funktionieren könnte; sie ersaufen in Arbeit.
Forscher der US -Universität Utah haben in einem Fahrsimulator nachgewiesen, dass schon ein Telefonat beim Autofahren die Konzentration um mindestens 40 Prozent senkt. Die Telefonierenden begingen so viele Fahrfehler wie Betrunkene. [45] Warum sollte ein Börsenhändler, der beim Aktienschachern telefoniert, weniger besoffen handeln?
Der Preis für diesen Wahnsinn ist hoch, nicht nur gesundheitlich. In den USA gehen pro Jahr 28 Milliarden Arbeitsstunden in Rauch auf, weil die Mitarbeiter unterbrochen werden. Dieser Spaß kostet 588 Milliarden US -Dollar. [46] Für Deutschland hat diese Zahlen vorsichtshalber noch niemand erhoben. Oder ist er noch dabei zu erheben, aber vor lauter Multitasking zu keinem Ergebnis gekommen?
Gut möglich, denn beim Multitasking fallen viele Vorgänge unter den Tisch. Das liegt am Arbeitsgedächtnis des Menschen. Dieser Zwischenspeicher ist höchst unzuverlässig, was wir zum Beispiel merken, wenn wir als Zuhörer am Ende eines langen Bandwurmsatzes seinen Anfang nicht mehr kennen. Und wem ist es nicht schon passiert, dass ihm erst auf dem Heimweg von der Arbeit einfiel, welchen Anruf er noch hatte erledigen und welche Mail schreiben wollen?
Eine neue Disziplin erobert die Arbeitswelt: das Kurzstrecken-Denken. Der Psychiater Edward Hallowell ruft die Aufmerksamkeitsschwäche als neue Epidemie aus und bezeichnet sie als »direkte Folge der modernen Arbeitswelt«. [47] Die Nachhaltigkeit weicht der Kurzatmigkeit, das strategische Handeln dem trommelnden Aktionismus.
Vor lauter Aufgaben, die sie gleichzeitig erledigen wollten, haben sich viele Menschen selbst erledigt – gesundheitlich. Sie leiden unter Attention Deficit Trait ( ATD ), einer krankhaften Zerstreutheit. Sie stehen unter Dauerstrom, sind laut Hallowell »abgelenkt, reizbar, impulsiv, ruhelos«. Und wie ein Junkie seinen Stoff braucht, so brauchen die Aufmerksamkeitsschwachen ihr Multitasking. In
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