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Bin ich hier der Depp

Bin ich hier der Depp

Titel: Bin ich hier der Depp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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Ende, wenn die Kohlen aus dem Feuer geholt sind, gibt ihm die Firma keinen festen Arbeitsvertrag, sondern den Laufpass. Und der nächste Praktikant rückt nach.
    Wer einen Maurermeister so behandelt, muss mit einer Klage rechnen; dieses Verhalten wäre sittenwidrig. Wer einen Praktikanten so behandelt, übt gängige Praxis aus; dieses Verhalten wird toleriert.
    Aber ist es nicht billige Ausbeuterei, hochqualifizierte Arbeitskräfte weit unter Hilfsarbeiterlohn einzuspannen? Ist das nicht ein durchschaubarer Trick, um Tarifverträge zu umgehen? Und gibt es nicht jede Menge Firmen, denen es nicht am Geld fehlt, die Praktikanten ordentlich zu bezahlen, sondern nur an der Moral? Firmen, für die jeder Gewinn ein guter Gewinn ist, auch wenn er auf Kosten der Schwächsten geht? Firmen, die einfach ignorieren, worin Humanität laut Albert Schweitzer besteht: »darin, dass niemals ein Mensch einem Zweck geopfert wird«?
    Leider ist das gesunde Rechtsempfinden in Deutschland einer bedingungslosen Anbetung der Wirtschaft gewichen, vor allem in der Politik. Wenn eine Firma nur andeutet, bald einen regulären Arbeitsplatz zu schaffen, fallen ganze Parlamente vor ihr auf die Knie. Die Politik ist eine Geisel der Wirtschaft geworden, weil Politiker Arbeitsplätze versprechen, die nur Unternehmer schaffen können.
    Also sagt der Unternehmer: »Ein Praktikum erhöht die Chancen, dass wir einen festen Arbeitsplatz schaffen.« Und der Gesetzgeber lässt ihn gewähren. Zwar stimmt es, dass einige Firmen Praktikanten übernehmen. Aber es stimmt auch, dass immer mehr Unternehmen Planstellen verwaisen lassen, weil Praktikanten die billigere Lösung sind. Warum einen regulären Maurer für viel Geld engagieren, wenn der vogelfreie das Haus für einen feuchten Händedruck baut?
    »Was Sie hier lernen, ist Lohn genug«, dröhnt es aus der Chefetage. Der einzige Tarifvertrag, der das Gehalt eines Praktikanten regelt, heißt: Willkür. Die Praktikanten-Gehälter sind ein Fall für den Armutsbericht: Knapp die Hälfte der Praktikanten geht leer aus, der Rest muss sich mit durchschnittlich 600 Euro im Monat begnügen. Die Länge eines Praktikums würde reichen, mehrere Häuser zu bauen: Sie liegt im Schnitt zwischen fünf und sechs Monaten. [108]
    Für alle Berufsgruppen werden mittlerweile Mindestlöhne diskutiert. Warum nicht für Praktikanten? Ein Gebot der Fairness wäre es, eine Untergrenze zu definieren, bei Ausgelernten oder Studierten nicht allzu weit vom tariflichen Einstiegsgehalt entfernt. Wenn der junge Maurermeister unter der Hand fast genauso viel bekommt wie bei einem offiziellen Auftrag, dann sinkt der Reiz, ihn ohne Vertrag schuften zu lassen.
    Oft werden Praktikanten doppelt ausgebeutet, denn die Firmen verweigern ihnen nicht nur ein ordentliches Gehalt, sondern auch die Chance, etwas für ihr weiteres Berufsleben zu lernen. Manchem Praktikanten dürften die Tränen kommen, wenn er im »Leitfaden für ein faires Praktikum« des Deutschen Gewerkschaftsbundes liest: »Das Praktikum dient in erster Linie dem Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen. Das Lernen steht im Vordergrund (…). Wenn die Arbeitsleistung dem Erwerb beruflicher Erkenntnisse überwiegt, hat der (…) Praktikant Anspruch auf vollen Lohn (§ 138 II BGB ).« [109]
    Ginge es nach dieser Richtlinie, würden sich die Gehälter der meisten Praktikanten über Nacht verfünf- oder verzehnfachen. Denn was die Firmen ihnen im Alltag zumuten, hat nichts mit Lernen zu tun, dafür mit Schuften und mit Leiden – davon handelt das nächste Kapitel.
    Hamsterrad-Regel: Wer einen Menschen auf der Straße überfällt, ist ein Räuber. Wer einen Praktikanten ausnimmt, ist ein Arbeitgeber.
    Mittagspause verboten!
    Wer wissen will, wie Arbeitgeber ihre Praktikanten zu Deppen machen, kann das nachlesen: auf der Internetseite fairwork-ev. [110] Dort tauschen sich Praktikanten darüber aus, was sie in Firmen erlebt und erlitten haben – Horrorberichte, die der Wirtschaft ein schlechtes Zeugnis ausstellen und die angeblichen »Nachwuchssorgen« der Firmen in ein völlig neues Licht rücken. Hier eine kleine Auswahl:
    Dass die Nacht nicht zum Schlafen, sondern zum Arbeiten da ist, musste der Praktikant eines Radiosenders erfahren: »Fairness: Naja. Nachtschichten werden mit Praktikanten besetzt – von 21 Uhr bis 5 Uhr, teilweise allein. (…) Übernahme nicht möglich! Aber wer gut ist, darf sicher weiter unbezahlt dort arbeiten.«
    Die Praktikantin einer Messe

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