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Bin ich hier der Depp

Bin ich hier der Depp

Titel: Bin ich hier der Depp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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der Firmen auch die Arbeitslast des einzelnen Mitarbeiters gewachsen ist.
    Einfache Mathematik: Wenn fünf Mitarbeiter eine Aufgabe erledigen, die auf fünf Mitarbeiter ausgelegt ist, dann sind sie ausgelastet. Wenn fünf Mitarbeiter eine Aufgabe bewältigen, die auf sieben Mitarbeiter ausgelegt ist, dann sind sie überlastet. Die zweite Variante gefällt den Unternehmen besser: Wer die Arbeit von sieben Mitarbeitern beansprucht, aber nur fünf bezahlt, spart fast 30 Prozent Personalkosten.
    Die Firmen kriegen nicht mehr genug! Egal wie hoch ihre Gewinne sind: Es könnte noch mehr sein! Egal wie viel ein Mitarbeiter leistet: Es könnte noch mehr sein! Wer als Mitarbeiter seine Arbeitstechnik verbessert, weckt damit nur neue Begehrlichkeiten: Wenn Sie mit fünf Kollegen für sieben arbeiten, wette ich: Bald bekommen Sie Arbeit für acht! Wenn es Ihnen gelingt, einen »unmöglichen« Termin doch einzuhalten, wette ich: Der nächste Termin wird noch knapper! Arbeit im Quadrat ergibt einen Teufelskreis.
    Die Firmen-Sonnenkönige betreiben asoziale Marktwirtschaft: Sie übersehen, dass nicht der gestrichene Arbeitsplatz ein guter ist, sondern der erhaltene. Sie ignorieren, dass Eigentum nicht zur Mehrung des Eigentums verpflichtet, sondern zur sozialen Verantwortung, etwa gegenüber Mitarbeitern und ihrer Gesundheit. Sie erwarten, dass die Gesellschaft ihnen dient, aber weigern sich, der Gesellschaft zu dienen.
    Was können Sie tun, um diesem Arbeitswahn nicht länger zur Verfügung zu stehen? In den nächsten Kapiteln erfahren Sie, wie Sie sich in Ihrem Arbeitsleben nichts mehr gefallen lassen, was Ihnen nicht gefällt; wie Sie die wichtigste Vokabel des modernen Arbeitnehmers lernen und effektiv einsetzen: »Nein«; und wie Sie sich Ihre eigene Sonne an den Himmel hängen, statt einer fremdbestimmten Umlaufbahn zu folgen.
    Der gefährliche Kindheits-Kompass
    Claudia Nieber (39) war sauer, als sie zu mir ins Coaching kam, sauer auf sich selbst. Sie sagte: »Ich weiß, dass ich zu viel arbeite, so wie ein Raucher weiß, dass er mit dem Rauchen aufhören müsste. Aber ich kann es nicht abstellen.« Mittlerweile war sie schon eine Kettenarbeiterin: 60 Stunden pro Woche saß die Fremdsprachenkorrespondentin im Büro, und zu Hause ging der Arbeitszirkus weiter: Sie telefonierte, mailte und sprang nachts aus dem Bett, um sich Notizen für die Arbeit zu machen.
    Ich fragte: »Angenommen, Sie gingen ab der kommenden Woche einfach pünktlich nach Hause – was würde dann passieren?«
    »Dann wäre die Hölle los! Dann würden Termine platzen. Dann würde mein Chef fragen: ›Was ist denn los, Sie haben das doch sonst auch immer geschafft?!‹«
    »Und Sie? Wie zufrieden wären Sie mit Ihrer Arbeitsleistung?«
    »Gar nicht. Ich denke immer: Das ist alles zu schaffen! Ich muss mich anstrengen, mich besser organisieren!«
    »Aber Sie merken, dass es nicht geht?«
    »Ich bin ein Nervenbündel. Mir bröckelt schon der Freundeskreis weg. Neulich schrieb mir eine alte Freundin eine Mail: ›Hallo, lebst du eigentlich noch?‹ Da habe ich gedacht: Gute Frage, lebe ich eigentlich noch? Und wenn ja, was hab ich eigentlich noch vom Leben?«
    »Was haben Sie bislang unternommen, um mehr vom Leben zu haben?«
    »Ich starte mit guten Vorsätzen in die Arbeitswoche. Ich denke mir: ›Diese Woche gehe ich pünktlich!‹ Aber dann sagt mein Chef zu mir Sätze wie: ›Ich weiß, dass ich mich auf Sie verlassen kann, wenn es eng wird.‹ Und schiebt neue Arbeit rüber. In solchen Momenten werde ich schwach.«
    »Obwohl Sie es besser wüssten!«
    »Ich lüge mir dann was in die Tasche, ich sage: Nur diese eine Woche noch! Wenn ich jetzt richtig reinhaue, schaff ich mir Luft für die nächste Woche. Und in der nächsten Woche dann dasselbe Spiel.«
    So geht es vielen Mitarbeitern: Sie wollen ihren Arbeitsstress vermindern, aber kriegen die Kurve einfach nicht. In ihrem Hinterkopf tönt die Frage: »Warum ändere ich nichts, obwohl ich es besser weiß? Warum bin ich hier der Depp?«
    Die Spur zu der Antwort führt in die Kindheit. In den ersten Lebensjahren wird unser innerer Kompass geeicht. Ein Baby hat nur eine Lebensversicherung: seine Eltern. Der Hauptberuf eines Kleinkindes ist es, die Gunst seiner Eltern zu gewinnen und zu erhalten. Nur wenn sie das Kind zudecken, liegt es warm. Nur wenn sie es wickeln, liegt es trocken. Nur wenn sie es füttern, wird es satt.
    Das Kind ist seinen Eltern ausgeliefert. Verliert es ihre Gunst, verliert es

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