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Bin Ich Schon Erleuchtet

Bin Ich Schon Erleuchtet

Titel: Bin Ich Schon Erleuchtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Morrison
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würde sie weinen. Sie und Jason sind Anfang dreißig. So wie sie aussehen, machen sie schon seit Jahren Yoga. Sie haben unglaubliche Arme, als würden sie sich dauernd gegenseitig stemmen statt Gewichte.
    »Du bist also Indras Schätzchen«, sagte Lara und peilte mich mit ihren großen Augen auf eine Weise an, die ich nicht deuten konnte. Spaß oder Kritik?
    »Ihr Schätzchen?«
    »Natürlich.« Sie lehnte sich zurück und legte ein gebräuntes Bein auf den Tisch, um das sich bis unter die knielange weiße Leinenhose eine tätowierte blühende Ranke schlängelte. »Sie hat von dir geredet, bevor du gekommen bist – du bist hier die einzige aus Seattle, und deshalb waren wir alle ganz wild darauf, dich kennenzulernen und zu erfahren, wie es in ihrem Studio so zugeht.«
    Ich rief mir das warme, helle Studio im Herzen der dunklen Stadt in Erinnerung. »Es ist eine Oase«, antwortete ich.
    Alle drei nickten. »Das merkt man einfach«, sagte Jason. »Indra und Lou sind etwas Besonderes. Ich glaube, sie sind da .«
    Ich wusste nicht, was da war, aber Jessica nickte lebhaft. »Wir können so viel von ihnen lernen.« Sie strahlte in die Runde.
    Lara lachte. »Jessica«, sagte sie, »du bist das positivste Mädchen, das ich je kennengelernt habe.«
    »Aber Indra ist so inspirierend, und Lou …«
    Sie schwärmten noch eine Weile von Lous sanftmütiger Ausstrahlung und wie zartfühlend er ist, und ich sank gegen die Stuhllehne und fragte mich, über wen zum Teufel sie da redeten, und außerdem wollte ich bitte schön auch was von dem, was sie geraucht hatten.
    Anscheinend hat außer mir niemand Angst vor Lou. Wieso habe ich als Einzige das Gefühl, dass Lou mir direkt in meine schmuddelige Seele blicken kann? Wenn die anderen über seine knuffige Persönlichkeit reden, könnte man meinen, er wäre ein Glücksbärchi. Ich bin schockiert.
    »Es ist so traurig«, seufzte Lara gerade. »In London gibt es keine erleuchteten Yoga-Lehrer. Sie sind kein bisschen erleuchtet! Sie bringen es überhaupt nicht. Das sind alles Emporkömmlinge, die ihre Promi-Schüler anbeten. Eingebildete Snobs.«
    »Ehrlich?«, fragte Jessica.
    »Und ob. Denen ist nur wichtig, was du anhast und welche Tasche du trägst und ob Madonna oder Gwynnie schon in ihrem Studio waren oder nicht, stimmt’s, Jason?«
    Jason murmelte mit schmerzhaft verzogenem Gesicht etwas Zustimmendes. Er hielt den Kopf gesenkt.
    »Alles in Ordnung, Jason?«, fragte Jessica.
    »Es geht ihm gut«, antwortete Lara. Jason nickte. »Er hatte ein paar gesundheitliche Probleme. Jedenfalls« – sie gab ihre Wasserflasche an Jason weiter, der den Deckel abschraubte und trank – »merkt man bei Indra und Lou, dass sie aus den richtigen Gründen dabei sind. Irgendetwas an ihnen sagt einem, dass sie es leben und nicht nur predigen, stimmt’s, Jason?«
    Sie streckte den Arm aus und tippte seine Handfläche an. Er hatte mit geschlossenen Augen am Tisch gesessen, und jetzt machte er sie auf und grinste.
    »Sorry, Ladies«, sagte er, »ich bin im Moment etwas mit meinen unteren Regionen beschäftigt. Kommt vor. In Afrika konnte ich kaum furzen, so verstopft war ich. In den letzten Tagen habe ich eher das umgekehrte Problem.«
    Ich hatte keine Lust mehr auf meinen Tee.
    Jason ist in der ganzen Welt herumgereist – allein im vergangenen Jahr Kambodscha, Laos und Nordafrika – und sammelt Parasiten wie andere Touristen Postkarten. Anscheinend hat er sich zuletzt einen ganz besonders fiesen eingefangen, den er nicht los wird. Vor ihrer Abreise aus London hatte er eine Reihe von Tests machen lassen, und die Ärzte hatten auf Magenkrebs getippt. Aber am Morgen hatte er gerade in Ubud seine Mails gecheckt und die gute Nachricht erhalten, dass es nur ein Parasit ist.
    »Und ich dachte, ihr trinkt alle Pisse, um Parasiten fernzuhalten«, sagte ich. Es rutschte mir so heraus – obwohl ich jahrelang Schauspielunterricht hatte, bin ich eine total unbegabte Lügnerin und konnte nicht die ganze Zeit so tun, als würde ich es in dieser Hinsicht halten wie meine Mit-Yogis. »Ich sage das gar nicht gerne« – gelogen –, »aber vielleicht ist diese Urintherapie bloß ein New Age-Bluff.«
    »Oh nein«, wehrte Jason ab. »Du hast mich falsch verstanden. Es ist nicht so, dass die Urintherapie bei mir gescheitert ist, sondern ich bin an der Urintherapie gescheitert.« Jessica und Lara brachen in wissendes Gekicher aus. »Ich unterbreche sie manchmal. Beim Reisen ist jede Disziplin schwer

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