Bin Ich Schon Erleuchtet
ich mich doch tatsächlich an die Hitze gewöhnt hatte. Ich komme mir nicht mehr vor wie in der Sauna. Ich weiß jetzt, wohin ich meine Matte legen muss, damit die Geckos sie beim Üben nicht ständig vollscheißen. Es geht aufwärts.
Jessica und ich sitzen auf der Veranda und schreiben Tagebuch. Die Sonne geht unter, und ich höre, wie die Frauen im Wantilan ihre Instrumente hervorholen.
Jetzt fangen sie an zu spielen. Warum werden nicht allen Menschen Symphonien vorgespielt, wenn die Sonne untergeht? Wie konnte ich in so einer Umgebung je deprimiert sein? Sie ist traumhaft. Und vor allem lädt sie zum Träumen ein, und das habe ich in letzter Zeit auch ausgiebig getan. Jonah und ich müssen unser gemeinsames Leben grundlegend ummodeln. Wenn wir zusammenleben wollen, soll es ein Neubeginn sein. Ich stelle mir vor, dass wir in New York in einer Art urbanem Baumhaus leben. Pflanzen und Naturfasern überall – Weidenkätzchen, Flusssteine. Ich will, dass wir auf dem Boden sitzen. Ich will keinen einzigen Stuhl im Haus! Ich erkläre meinen Beitritt zur Anti-Stuhl-Brigade! Stühle verkrampfen die Hüften. Ich will Dutzende von Meditationskissen und unverkrampfte Hüften.
Keine Sorge, ich werde nicht darauf bestehen, dass wir unsere Genitalien künftig lingam und yoni nennen. Aber ich muss Jonah dazu bringen, dass er Yoga ausprobiert. Ich will, dass er zu meditieren anfängt. Wir würden uns garantiert besser verstehen, wenn wir mehr meditierten. Wir würden uns gegenseitig weniger übelnehmen – ich würde seine Unabhängigkeit besser ertragen und er meine Unfähigkeit, mich von meiner Monsterfamilie und ihren Erwartungen abzugrenzen. Selbst in dreitausend Meilen Entfernung wird sie Forderungen stellen, ohne Witz. Aber wir werden die Dinge locker angehen, tief durchatmen und lässige, bequeme Kleidung tragen. Wir werden uns bei Kerzenschein lieben und uns danach in seidene Sarongs hüllen. (NICHT VERGESSEN: Sarongs kaufen!)
14. März
Heute habe ich eine lange Mail an Jonah geschrieben. Darin stand, dass ich mir wünschte, wir würden uns in unserer Beziehung gemeinsam weiterentwickeln. Wenn wir zusammenleben wollen, schrieb ich, müssen wir uns auf Augenhöhe begegnen, und ich muss lernen, ihm vor meiner Familie den Vorrang zu geben.
Am schwersten fiel mir das Eingeständnis, dass ich mich nicht selten so verhalte, als würde ich meine Familie mehr lieben als ihn. Letztes Jahr fuhr Jonah in Urlaub und kam am Neujahrstag zurück. Wir hatten uns zwei Wochen nicht gesehen. Er rief mich gleich am Morgen nach seiner Rückkehr ganz aufgeregt an. Er konnte es gar nicht erwarten, mich zu sehen, und wollte den ganzen Tag mit mir verbringen, mit mir kochen und reden.
Ich wollte ihn ja auch sehen …
Aber meine Schwester und ich hatten schon vier DVDs ausgeliehen und tonnenweise Gummibärchen gekauft. Also sagte ich zu Jonah, wir würden uns am nächsten Tag treffen. Er war so wütend, dass er einfach auflegte. Ich könnte heulen, wenn ich nur daran denke – wie konnte ich nur so ein Miststück sein?
Manchmal glaube ich, ich liebe Jonah wie ein Kind. Ich nehme seine Liebe als selbstverständlich hin und mache mir keine Gedanken, ob ich etwas zurückgebe. Bestimmt hätte Jonah lieber eine Freundin vom mütterlichen Typ, die ihm zum Geburtstag einen Kuchen bäckt und ihn mit Muffins überrascht, wenn er einen schweren Tag hatte.
Ich will so eine Freundin werden. Ich werde lernen, im Augenblick zu leben und nicht immer darüber nachzugrübeln, wie cool diese oder jene Unternehmung wäre, sondern die Sache selbst in die Hand nehmen. Ich werde ihn mit Muffins überraschen. Ich muss nur noch lernen, wie man sie bäckt.
Mehl. Ich wette, man braucht Mehl.
Auf meinem Nachttisch steht ein Bild von Jonah und mir. Ich sitze auf Jonahs Schoß und küsse ihn auf die Wange, während er in die Kamera blickt. Wenn ich es ansehe, kann ich seine glatt rasierte Haut spüren. Und dann vermisse ich ihn schrecklich. Ich schaue es mir jede Nacht vor dem Einschlafen an und hoffe, dass ich von ihm träume.
15. März
Liebe. Jessica und ich kriegen nicht genug davon. Wir sind verliebt in die Liebe. Gestern haben wir bis tief in die Nacht über unsere Beziehungen geredet. Na ja, eher über meine Beziehung und Jessicas Wunsch nach einer. Jessica sucht vor allem eine spirituelle Verbindung zu einem anderen Menschen. Ich glaube, sie betrachtet eine Liebesbeziehung als das einzig relevante spirituelle Glück.
Ich bin mir da nicht so sicher,
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