Bin Ich Schon Erleuchtet
bringen und mein Kundalini-High wiederfinden.
Dann passierte es. Beim fünften Zyklus sprach mich Indra direkt an. »Becken runter, Suzie.«
Mein Name riss mich aus meiner Tagträumerei. Suzie. Ich versuchte, mich weiter auf den Atem zu konzentrieren, aber in meiner Kehle saß, mir unerklärlich, ein kleiner Angstknoten.
Ich tat wie geheißen, kippte das Becken, aber gleichzeitig krampfte sich mein Herz zusammen, und meine Augen wurden feucht. Ich spürte eine Art Entrüstung oder Widerwille. Angestrengt versuchte ich, die Gefühle niederzuringen. Angst? Entrüstung? Warum das? Warum jetzt? Ich war doch über die Ängste hinweg, die mich hierhergeführt hatten. Mein Durchbruch hatte mich doch geläutert, befreit. Warum kamen sie auf einmal zurück?
Ich warf einen kurzen Blick auf Indra, der die Zöpfchen ums Gesicht klimperten, und mir drängte sich wie ein ungebetener Gast eine plötzliche Einsicht auf, die mit einer Art Wut verknüpft war: Indra konnte nichts mehr für mich tun. Irgendwo im Raum nahm ich SuZen wahr, die sich sowohl ihres eigenen Namens als auch Indras Freundschaft und Aufmerksamkeit erfreute. Und ich hasste meinen Spitznamen, der mich zur kleinen Suzie reduzierte, zu Suzie-Q, zu Susi Sorglos sitzt zu Hause und föhnt ihr Haar .
»Richtig, Suzie, sehr gut«, sagte Indra.
Meine Halsmuskeln waren angespannt. Meine Luftröhre brannte bei jedem Atemzug. Ich streckte für die nächste Haltung die Arme in die Luft und beugte mit schmerzendem Hals den Oberkörper tief hinunter. Ich biss mir in das weiche Fleisch in meiner Mundhöhle, mein Kinn schob sich vor und verkrampfte sich.
Ich streckte erst das linke und dann das rechte Bein zur schiefen Ebene nach hinten. Wir hielten diese Liegestütze länger als zumutbar. Je länger wir so blieben, desto heißer und härter fühlte sich mein Herz an. Als ob es in Flammen stünde. Als ob es mir in die Kehle hochklettern wollte. In meiner Vorstellung flog mir das Herz wie eine Brandbombe aus dem Mund und explodierte. Es setzte den Wantilan in Brand, und wir verbrannten alle.
Beim Herabschauenden Hund zitterten meine Arme.
»Kraft, Suzie!«
Adrenalin rauschte durch meine Adern, genau wie früher, wenn ich Fangen spielte und mein älterer Bruder mich jagte und meinen Namen schrie: Suzie ! In meiner Phantasie sprengte der Feuerball in einer Wolke aus Funken und schwarzem Rauch das Dach des Wantilan. Ich wollte mit der Rauchfahne in die Luft segeln, das fliegende Dach einfangen, es zur Erde zurückbringen und auf SuZens Schädel zerschmettern. Ich konnte mich aber auch elegant in den Handstand hochschwingen und auf den Händen über das brennende Holz laufen, um die rußverschmierten Mit-Yogis herum, die immer noch im Hund verharrten, bis zu SuZens teurer Designermatte, und dann würde ich SuZen hochheben und mit den Füßen zu einem kleinen Bällchen zusammenknautschen und sie am Rand des Wantilan herumrollen, bis sie um Gnade winselte.
Suzananda Eleison , würde sie jammern, Suzanne, erbarme dich!
Gib mir meinen Namen wieder, würde ich knurren und sie nach Herzenslust mit den Füßen traktieren. Gib mir meinen Namen, SuZen, gib mir meinen richtigen Namen, du hochnäsiger Yoga-Snob.
Und dann machte Lou einen Fehler. »Becken runter, Suzanne«, sagte er. »Ich meine – Suzie.«
Wir streckten beide die Arme hoch und warfen den Kopf in den Nacken, und ich spürte, wie mir Flüssigkeit in die Ohren und über Wangen und Hals lief. Wir senkten die Arme und gingen in die Vorwärtsbeuge. Das Wasser rann mir über die Stirn in die Haare und kitzelte meine Kopfhaut. Ich umklammerte meine Waden und wischte mir die nassen Wangen am Schienbein ab.
Rechtes Bein zurück in die Kriegerposition, Augen geradeaus. Ich ertrank. Mir war übel, mein Brustkorb hob und senkte sich ruckartig.
Ich wusste nicht, wie mir geschah. Es überwältigte mich. Ich hasste mich selbst dafür, dass ich weinte und wegen eines Namens so dumm und emotional reagierte, aber mein Selbsthass lockte nur noch mehr Tränen hervor.
Eine Stunde verging. Immer, wenn sich mein Atem wieder beruhigt hatte und ich glaubte, mich wieder unter Kontrolle zu haben, nannten mich Indra oder Lou Suzie, und ein unbegreiflicher Schmerz überkam mich von neuem. Ich durchlebte fünfundzwanzig Jahre mit diesem Namen; Bilder von meinen Eltern und Geschwistern zogen an mir vorüber – meine Großeltern und Urgroßeltern, meine Freunde, alle nannten mich Suzie, ihre Suzie. Von dem Ort, an dem ich Suzie bin, werde
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