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Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)

Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)

Titel: Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Möller
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Beckenrand entlangläuft. Um den Hals trägt er eine Schwimmbrille und nickt allen Damen, an denen er vorbeiläuft, hektisch zu.
    »Das ist der Dieter, du«, kläre ich Sarah leise auf, »mit seiner Tochter, der Bianca.«
    »Du, ich kenn den Dieter schon, du«, antwortet sie mit einem Grinsen und drückt mir Klara in den Arm, »der ist echt suuuuupinett, hey!«
    Als Dieter mich erblickt, kommt er zu uns gestakst, legt Bianca auf einer mitgebrachten Wickelunterlage ab und kramt eine Schwimmwindel aus seiner Tasche. Während er seine Tochter umständlich anzieht, erzählt er mir von seinem Chef im Ingenieurbüro, dem Dieters Entscheidung, in Elternzeit zu gehen, gar nicht gefallen hätte. Das sei Dieter aber egal gewesen, weshalb er nun ein komplettes halbes Jahr mit seiner Frau und seiner Tochter verbringen könne.
    »Du, der Bianca tut das total gut, hey«, meint er und wiegt das Baby in seinem Arm hin und her. »Und auch meine Frau, die Wencke, die kann mal so richtig die Seele baumeln lassen. Echt supiklasse!« Während er spricht, bewegt er seinen Kopf konstant vor und zurück, sodass ihm seine blonden Locken ständig ins Gesicht fallen. »Kommste auch mit ins Wasser?«
    Leider muss ich ihn enttäuschen, denn während des Kurses soll immer nur ein Elternteil mit ins Becken, und das übernimmt Sarah, ich dagegen bin heute erst einmal für die Fotos zuständig und werde das Spektakel vom Beckenrand aus verfolgen.
    Als sich Dieter zu den anderen ins Wasser gesellt und auch Sarah mit Klara dazusteigt, neigen sich plötzlich fast sämtliche Köpfe zur Tür der Damendusche. Weil die Kids im Wasser alle deutlich jünger als ein Jahr sind, kämpfen wohl noch einige anwesende Mütter damit, ihr altes Gewicht wiederzuerlangen. Dieses Problem scheint die großflächig tätowierte Frau, die nun unter den prüfenden Blicken der anderen das Schwimmbad betritt, nicht zu haben. Mit elegantem Hüftschwung bewegt sie ihre Bikinifigur leichtfüßig am Beckenrand entlang und bindet dabei ihre feuerroten Haare zu einem Pferdeschwanz. Bis auf Dieter scheinen ihr dabei alle zuzuschauen. Aus der Männerdusche betritt nun ein Typ die Szene, dessen gebräunter Körper mit ähnlich vielen Rosen, Totenköpfen und Schriftzügen verziert ist wie der seiner Frau. Auf seinem Arm trägt er ein lachendes Baby, dazu tief hängende Bermudashorts und Flipflops.
    Die Frau nimmt ihm den Jungen ab und steigt ins Wasser, während er eine analoge Leica-Kamera aus einer Baumwolltasche holt und sich neben mich an den Beckenrand stellt. Nachdem er ein paar Bilder seiner kleinen Familie geknipst hat, nickt er mir zu. Sein langer Zopf und der Kinnbart sind grau meliert, unter den Haaren schauen Ohrmuscheln hervor, die bis zum oberen Rand mit verschiedenen Arten von Ringen durchstochen sind.
    »Sindwa wohl die einzigen Kerle hier«, merkt er mit rauer Stimme an und stellt sich mir dann als Piet vor, der heute ebenfalls zum ersten Mal dabei ist.
    Als ich ihn auf Dieter hinweise, der sich mit Schwimmbrille im Gesicht grunzend über seine Tochter amüsiert, krault sich der Rocker grinsend die Brusthaare. »Ich mein doch echte Kerle! Und du bist Freiberufler – oder warum haste Zeit, den Muttis hier beim Planschen zuzugucken?«
    »Nee«, antworte ich und schaue mir dabei geschäftig die Fotos auf meiner Digicam an. »Ich hab bis vor Kurzem als Lehrer gearbeitet und suche jetzt …«
    »… eine neue Herausforderung?« Piet lacht laut.
    Ich nicke und habe dann wenig Probleme damit, das Gespräch von mir abzulenken. Von Fotograf über Barbesitzer bis Gitarrist und Tätowierer, berichtet Piet ausschweifend, habe er in seinem Leben alles ausprobiert, was Spaß und Geld gebracht habe. Mit vierzig sei dann jedoch das Burn-out gekommen, und seitdem kümmere er sich fast nur noch um seine Mädels.
    »Tja, mit Erschöpfungsdepressionen ist nicht zu spaßen«, stimme ich zu und erinnere mich an die Häufigkeit dieser Berufskrankheit in meinem ehemaligen Kollegium.
    »Erschöpfungsdepression?«, fragt Piet und schaut mich mit gerümpfter Nase an. »Das klingt ja mega unsexy, Alter! Hab das mit Homöopathie und Kinesiologie jedenfalls super in den Griff bekommen …«
    Homöopathie und was für ’n Ding? Keine Ahnung, was Ersteres in Piets Fall bringen und Letzteres überhaupt sein soll, aber man muss ja auch nicht alles wissen – Hauptsache, es geht ihm gut.
    Nach einer guten halben Stunde ist das Babyschwimmen vorbei und wird von der Schwimmlehrerin mit einem Lied

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