Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)
musste sich der Junge denn reinpfeifen?«
Ich setze dazu an, ihr die Wirkweise von Ritalin zu erklären, dabei unterbricht sie mich aber schnell. »Geil«, sagt sie und lacht laut, »heutzutage sind also schon die Kids auf Drogen. Willste auch MDMA ? Das Zeug ist super, ich bin damit schon seit gestern unterwegs.« Grinsend hält sie mir das Röhrchen vor die Nase. »Ist fast das Gleiche wie der Stoff von deinen Kids …«
Dankend lehne ich ab und erinnere mich an meine steile Kifferkarriere als Jugendlicher, aus der ich gelernt habe, dass ich ein recht ausgeprägtes Suchtpotenzial besitze. Das Letzte, was ich in meiner derzeitigen Lage gebrauchen kann, ist ein schlechter Trip, der mit Nina im Wunderland endet. Während sie ein paar Krümel des Mittelchens aus dem Döschen klopft, animiert sie mich, noch ein bisschen von meinem ehemaligen Job zu erzählen, hört aber kaum zu, nachdem sie ihre Zunge weit herausgestreckt und damit genüsslich die Spitze ihres Zeigefingers abgelutscht hat. Während der folgenden Minuten beginnt sie, auf ihren Oberschenkeln Klavier zu spielen, und inhaliert mehrere Zigaretten nacheinander in wenigen Zügen. Mitten im Satz springt sie plötzlich auf und zieht mich an der Hand hinter sich her. »Ich muss mich bewegen!«, brüllt sie mir ins Ohr, dann stürzt sie sich mit ekstatischen Bewegungen in die tanzende Masse.
Während die Muttis aus dem Prenzlauer Berg bei Ninas jetzigem Anblick wahrscheinlich schnell ihre Luxuskinderwagen auf die andere Straßenseite schieben würden, übertreffen die zappelnden Gestalten um sie herum ihre Optik teilweise um ein Vielfaches. Ein Typ trägt beispielsweise nichts außer schwarzen Anglerstiefeln, einem Latexslip und einer klassischen Fliegerbrille, die mit einem Gummiband an seinem Kopf befestigt ist. Ein anderer ist in einen roten Samtumhang gehüllt und trägt einen weißen Sombrero auf dem Kopf. Seine Tanzbewegungen werden von einem weiten Ausfallschritt seines rechten Beins dominiert, zu dem er mit den Händen eine Art Karatekampf imitiert. Auf Zehenspitzen huscht neben ihm eine Japanerin auf die Bühne der Bizarros. Sie ist in einen weißen Faltenrock und eine schwarze Korsage gekleidet und wird von zwei kleinen schmächtigen Menschen eskortiert, die Wespenkostüme tragen und sich gegenseitig die Finger ablecken.
Im Zusammenspiel mit der Musik frage ich mich langsam, ob es Nina vielleicht doch etwas zu gut mit mir gemeint und meinen Drink schon vor meiner Ankunft an der Bar mit dem weißen Feenstaub verfeinert hat. Dann fällt mir aber wieder ein, dass der Deckel des Getränks beim ersten Öffnen geknackt hat – nicht nur bei Babygläschen also ein beruhigendes Qualitätsmerkmal! Um bei meinen Beobachtungen nicht weiter aufzufallen, wippe ich leicht im Beat mit und lasse mich in Ninas Nähe treiben. Die sieht inzwischen allerdings noch fertiger aus als zuvor.
»Alles o. k.?«, brülle ich sie an, doch sie schüttelt nur den Kopf. Als ich uns den Weg von der Tanzfläche bahne, legt sie mir ihre nasskalten Hände auf die Schultern.
»Ich hab schon ’n bisschen mehr als das MDMA gehabt«, ruft sie. »Wart mal bitte hier, ja?«
Torkelnd verschwindet sie Richtung Toilette. Eine Viertelstunde vergeht, ohne dass sie wieder auftaucht, doch als ich das Warten gerade aufgeben will, baut sich der haarlose Muskelberg vor mir auf, dessen Weg ich an diesem Abend schon zweimal gekreuzt habe.
»Na, haste deinen Freund verloren?«, will er von mir wissen. »Ich bin der Klaus. Trinkste ’n Bier mit mir?«
»Danke für das nette Angebot, aber ich muss los«, sage ich mit einem freundlichen (aber nicht zu freundlichen!) Lächeln im Gesicht und begebe mich auf die Suche nach Max – wer weiß, wo sich Nina inzwischen herumtreibt! Durch ein Labyrinth aus dunklen Gängen lande ich irgendwann wieder auf der Tanzfläche, schlage mich dann bis zur Treppe in den zweiten Stock durch, wische mir dort den fremden Tanzschweiß von den Armen und betrete die Panorama Bar. Anders als unten herrscht hier eine deutlich coolere Stimmung. Die Musik ist weniger aggressiv, die Anzahl der offenbar schwulen Männer tendiert gegen null, dafür kommen mir zahlreiche Frauen in lasziver Kleidung entgegen und schauen mich aus riesigen Pupillen an. Die riesige Nahaufnahme einer rasierten Vagina, die bei meinem letzten Besuch noch hinter der Bar hing, musste der Fotografie eines blanken Hinterteils weichen. Anders als der Name es vermuten lässt, ist die Panorama-Bar ein
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