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Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)

Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)

Titel: Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Möller
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starrt in die Tasse. »Da war er schon kalt und steif.«
    Wir schweigen einen Moment.
    »Warum haste mir denn nichts davon …«
    »Du warst doch gerade erst achtzehn«, unterbricht er mich. »Und ich war ja noch nie so gut mit diesen … na: Emotionen.« Er verzieht den Mund etwas und schaut mich aus dem Augenwinkel an. »Danach bin ich dann ziemlich abgestürzt.«
    »Auch Heroin?«
    »Nein – meine Droge ist nur noch die Musik!«
    Ausführlich berichtet er mir von den Jahren, in denen er allein vor sich hin gelebt hat, nur er und die Musik. Keine Gitarrenschüler mehr, nur noch Auftragsarbeiten für Radiowerbungen, dazu ein paar Hörbücher produziert, alles mit minimalem Menschenkontakt.
    »Aber lassen wir das …«, sagt er und schaltet wieder in seinen Hi-Fi-Modus. »Erzähl mal, was ist dein Problem? Aufnahme verschissen, hä?«
    Ich nicke, er lacht.
    »Anfänger!«
    Als ich das Diktiergerät aus der Tasche hole, zieht er die Augenbrauen hoch. »Oje, ein Rasierapparat«, meint er und schüttelt den Kopf. »Mit ’ner Kugel macht man doch keine Interviews!«
    »Rasierapparat? Kugel? Was quatschst du da?«
    In seinem Produzentenstuhl lehnt sich mein alter Gitarrenlehrer zurück, lächelt und schlägt die Beine übereinander. Als selbst erklärter Audiofreak konnte Andy es noch nie verstehen, wenn jemand seinem Fachjargon nicht folgen konnte, beim Umgang mit Schallwellen und technischen Geräten nicht dieselbe Inbrunst und Hingabe an den Tag legte wie er oder Progressive Rock nicht von Progressive Metal unterscheiden konnte. Mit einer gewissen Genugtuung regte sich Andy schon immer über schlecht produzierte Platten auf oder hörte einzelne Sequenzen seiner Aufnahmen hundertmal hintereinander und spielte so lange an den Knöpfen und Schiebereglern seines zwei Meter breiten Mischpults herum, bis das Ergebnis endlich seinen Ansprüchen genügte.
    »Ach, Möllerchen«, beginnt er und atmet einmal durch. Dann fummelt er eine Halskette unter seinem schwarzen Shirt hervor, an der ein Schlüssel baumelt. »Kannst du ein Geheimnis für dich behalten?«
    Ich schüttele den Kopf. Ungeachtet dessen schließt er einen schwarzen Metallschrank auf, der neben dem Schreibtisch steht. Langsam öffnet er beide Türen, tritt einen Schritt zurück und erlaubt mir einen Blick auf den Inhalt. »Ich hab noch einen ganzen Batzen in meine private Sammlung investiert.«
    Stolz präsentiert er mir verschiedene Mikrofone, die er fein säuberlich in dem Schrank aufbewahrt. Zu jedem einzelnen erklärt er den Aufbau, das Aufnahmefeld und das entsprechende Einsatzgebiet.
    »Mit ’ner Kugelcharakteristik wie der hier«, sagt er abschätzig und zeigt auf meinen Rekorder, der bei näherer Betrachtung tatsächlich wie ein Rasierer aussieht, »nimmst du jeden Pups auf, der im Umkreis von hundert Metern abgelassen wird. Was du brauchst, ist ’ne Keule oder ’ne Niere! Aber jetzt woll’n wa erstmal dein Interview retten, oder?«
    Dann schließt er meinen Rasierer an seinen Rechner an, spielt die Datei über den Lautsprecher ab und schüttelt dabei angewidert den Kopf. Auf meine Frage, ob er das Gespräch retten könne, schaut er auf die Uhr und will wissen, wie viel Zeit ich hätte. Ich erkläre ihm, dass das Interview am Morgen fertig sein muss, und da meine Freundin und Tochter inzwischen ohnehin schlafen würden, wäre es eigentlich egal, wann ich nach Hause fahre.
    »Du hast ’n Kind?«, fragt er und wendet sich vom Rechner ab. »Mann, wir haben uns wohl einiges zu erzählen. Rauchste denn noch?«
    »Gelegentlich – und nur Tabak.«
    Zufrieden lächelt er mich an, erklärt mir, dass er Kompressoren, Rauschunterdrücker und Filter über die Datei jagen wird, und setzt dann noch einen Tee auf. Nachdem wir uns fünf Minuten über mein Dasein als junger Vater und Ex-Lehrer unterhalten haben, quatschen wir fast zwei Stunden über Musik. Mit einem Grinsen im Gesicht verrate ich ihm irgendwann, was inzwischen regelmäßig aus seinen alten Kopfhörern tönt.
    »Death Metal?«, fragt er aufgebracht. »Was hat dich denn geritten?«
    »Schwedischer Progressive Death Metal«, korrigiere ich ihn, woraufhin er sichtlich aufatmet. »Sarah kriegt auch immer die Krise, wenn sie nach mir das Auto benutzt und Mikael Åckerfeldt aus den Lautsprechern grölt. Aber diese Power, die Raffinesse und der Sound haben’s mir einfach angetan … Ich hör das sogar zum Einschlafen.«
    Andy schüttelt lächelnd den Kopf. »Biste also auch zum Musik-Freak geworden,

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