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Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)

Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)

Titel: Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Möller
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einer so kurzen wie heftigen Standpauke übers Kiffen achtkantig raus. Vollkommen baff stand ich damals am Spreewaldplatz, konnte nicht verstehen, was passiert war, und baute mir vor dem Heimweg zur Beruhigung erstmal einen Joint. Meinen Eltern erklärte Andy am nächsten Tag telefonisch, mir auf der Gitarre nichts mehr beibringen zu können, und so verlor ich von einem Tag auf den anderen das mit Abstand beste Event der Woche – und einen außergewöhnlichen Freund.
    Die Wochen gingen ins Land, das neue Jahr brach an, ich stellte das Kiffen ein, war daraufhin in der Lage, mein Abitur zu absolvieren, und nahm eine Zivildienststelle im Krankenhaus an – Andy aber meldete sich nie wieder bei mir oder meiner Familie. Als auch mein Vater aufhörte, immer wieder bei ihm anzurufen, verflüchtigte er sich allmählich auch aus meinem Kopf. Nur seine Musik, die blieb, und ein Schuhkarton, der aufwendig verklebt und mit meinem Namen beschriftet ein paar Monate nach meinem Rausschmiss bei Andy bei uns abgegeben wurde. Darin lagen Andys Kopfhörer und eine CD , sonst nichts. Mit einem Kloß im Hals schob ich die silberne Scheibe in meinen CD -Player, dann schloss ich die Augen und fühlte mich beim Aufsetzen der weichen Polster schlagartig in das kleine Apartment hineinversetzt, das Andy als Tonstudio, Unterrichtsraum und nebenbei auch als Wohnung diente. Als die ersten Gitarrenklänge von Pink Floyds Dogs meine Ohren erreichten, konnte ich mich noch zusammenreißen, doch als Roger Waters den Song mit You’ve Got to Be Crazy begann, wurde ich von der Kraft der Musik übermannt und musste vor Glück weinen. Während des ganzen Songs suhlte ich mich in diesem wohlig warmen Gefühl der Nostalgie, das es mir erlaubte, mich mit allen Sinnen in vergangene, aber wunderschöne Zeiten zu versetzen. Als der Song nach über siebzehn Minuten ausklang, standen mir noch immer Tränen in den Augen.
    Wie jetzt.
    Erstaunlich, wie stark Erinnerungen und Gefühle an Musik gekoppelt sind – und wie wenig das Wissen um diesen Zusammenhang etwas daran ändert.
    Benebelt von dieser Geschichte, an die ich seit Jahren nicht gedacht habe, stehe ich auf, um mir einen Tee zu kochen. Aus der Küche höre ich mein Handy klingeln und renne wieder ins Wohnzimmer. »Andy?«
    »Ja«, antwortet er verunsichert. »Ich habe Ihre Nummer auf …«
    »Ich bin’s«, rufe ich ins Telefon. »Philipp Möller!«
    Stille, dann spricht Andy leise in den Hörer. »Philipp! Ich … ich weiß gar nicht, was ich …«
    »Schon gut«, beruhige ich ihn lachend und überspiele damit erfolgreich meine eigenen gemischten Gefühle. »Du brauchst mir nur ’ne Frage zu beantworten: Haste dein Tonstudio noch?«
    »Ob ich mein Tonstudio noch habe?« Andy lacht laut. »Ich wohne noch immer darin! Wieso?«
    Ich atme auf und erkläre ihm meine Situation. Schnell fällt Andy in genau den Tonfall zurück, den ich von ihm kenne: konzentriert, professionell und höchst begeistert davon, sich einem Hi-Fi-Problem widmen zu können.
    »Grundsätzlich ist lauter machen immer am schwersten«, meint er. »Haare lassen sich ja auch nicht länger schneiden! Aber komma vorbei, vielleicht lässt sich was machen.«
    Aufgeregt steige ich wenig später aus dem Auto und laufe über den Spreewaldplatz. An der Haustür angekommen, klingle ich und fühle mich schon wieder wie ein Teenager, während ich die Treppen hinaufsteige. Wie vor vielen Jahren, nur mit deutlich weniger Haaren, wartet Andy an der Tür und lächelt mich an. »Mann, bist du fett geworden«, begrüßt er mich lachend und nimmt mich in den Arm.
    »Dafür hast du ’ne Glatze«, sage ich, schaue ihn an und haue ihm dann in Geierchens Manier auf die Schulter.
    Er bittet mich in die Wohnung, setzt wie damals einen Tee auf und stellt mir dann den alten Hocker hin. Der süßliche Geruch in der Bude ist verschwunden, die alten Röhrenmonitore wurden durch zwei große Flatscreens ersetzt, ein paar der Geräte ausgetauscht – doch ansonsten sieht es bei Andy eigentlich aus wie früher. Als er mit den zwei Tassen in der Hand wieder ins Wohnzimmer kommt, nimmt er auf seinem Stuhl Platz und schaut mich erwartungsvoll an. Aber bevor wir loslegen, muss ich unbedingt eine wichtige Frage loswerden: »Was war denn los damals?«
    Andy atmet tief durch. »Kannst du dich an Ricky erinnern?«
    Ich nicke.
    »Am Tag bevor du deinen Grasbeutel ausgepackt hast, ist er mit ’ner Spritze im Arm am Kottbusser Tor gefunden worden.« Er nimmt einen Schluck Tee und

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